Reizmagen, Reizdarm & Co.: Welche Rolle spielt das Bauchhirn?
So vielfältig wie die Symptome sind auch die möglichen Auslöser: Funktionelle Verdauungsbeschwerden haben viele Gesichter. Die Erkrankung und ihre Ursachen zu verstehen, ist ein erster Schritt zur Lösung des Problems. Die aktuelle Forschung macht immer mehr Fortschritte. Im Fokus steht inzwischen auch das sogenannte Bauchhirn.
Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden sind zu einer Volkskrankheit geworden: Eine groß angelegte Studie legt nahe, dass in der westlichen Welt mehr als 40 Prozent der Bevölkerung betroffen sind. In Deutschland liegt die Zahl bei ca. 15 Prozent. Doch suchen aus falscher Scham nur ca. 5 Prozent der Betroffenen mit funktionellen Magen-Darm-Beschwerden eine Arztpraxis auf.
Eine funktionelle Magen-Darm-Erkrankung kann sich bei jedem Betroffenen auf eine andere Weise äußern. Häufig wird über Blähungen und Krämpfe, Völlegefühl und Schmerzen, Durchfall oder Verstopfung geklagt. Gerade die Vielfalt der Beschwerden erschwert Diagnose und Therapie.
Ein möglicher Auslöser: die Zusammensetzung des Darmmikrobioms
Als eine mögliche Ursache für Beschwerden wird unter anderem die Zusammensetzung des Darmmikrobioms diskutiert. Die Darmflora von Reizdarmpatient:innen unterscheidet sich von der bei Nicht-Reizdarmpatient:innen. Ob sich beispielsweise mit Probiotika oder Stuhltransplantationen die Darmflora verbessern und damit das Problem lösen lässt, ist Teil der aktuellen Forschung.
Im Fokus der Forschung: das Bauchhirn
Im Fokus der Forschung steht auch das sogenannte Bauchhirn: Die Einflüsse der Bauch-Hirn-Achse werden intensiv untersucht, auch die Rolle der Psyche der Patienten und ihre unbewusste Erwartungshaltung wird in den Blick genommen. Betroffene haben etwa unter Stress stärkere Beschwerden als in Ruhephasen. Umgekehrt erwarten sie unbewusst in Stressphasen auch mehr Verdauungsprobleme – wodurch sie diese dann indirekt sogar auslösen. Sind Schmerzen ein besonders belastendes Symptom der Magen-Darm-Beschwerden, kann dies, so die Wissenschaft, an einer Überempfindlichkeit des sensiblen Nervengeflechts im Bauchhirn liegen.
Nicht ungewöhnlich scheint eine familiäre Häufung des Reizdarms zu sein. Die Gründe dafür können sich aus dem sozialen Umfeld und den Ernährungsgewohnheiten ergeben. Zwillingsstudien weisen zudem auf eine genetisch bedingte Anfälligkeit für funktionelle Magen-Darm-Beschwerden hin – dies wird aktuell in Wechselwirkung mit Umweltfaktoren untersucht.
Wenn Magen-Darm-Infekte Folgen haben
Magen-Darm-Infekte sowie die Wirkung von Antibiotika stehen ebenfalls im Blickpunkt der Forschung, wenn es um Risikofaktoren für funktionelle Verdauungsbeschwerden geht. Es wird vermutet, dass nach dem Abheilen eines Infekts weiterhin kleine Entzündungen in der Darmwand zurückbleiben und sich die Darmflora durch eine Infektion nachhaltig verändert. Ein Magen-Darm-Infekt kann zu einer erhöhten Schleimhautdurchlässigkeit, also einer Barrierestörung (das sogenannte Leaky Gut Syndrom) führen. Das kann krankhafte Veränderungen im Magen-Darm-Trakt auslösen – mit entsprechenden Beschwerden. Eine Behandlung mit Antibiotika kann als unerwünschte Nebenwirkung einen negativen Einfluss auf die Zusammensetzung der natürlichen Darmflora zur Folge haben. Nach einer Infektion des Darms – ob mit oder ohne Antibiotika-Verordnung – ist demzufolge das Risiko erhöht, an funktionellen Verdauungsbeschwerden zu erkranken.
Behandelt werden in erster Linie die Symptome, zum Beispiel mit pflanzlichen Präparaten. Pfefferminzöl etwa ist für seine schmerzlindernde und krampflösende Wirkung bekannt. Kümmelöl kann die Nerven des Bauchhirns beruhigen und Blähungen reduzieren. Zudem zeigt es eine positive Wirkung auf das Darmmikrobiom.