Thea Ehre: Bärenstarke Premiere auf der Leinwand

Für ihre Rolle im Film Bis ans Ende der Nacht bekam Thea Ehre einen Silbernen Bären.
Foto © Grandfilm

Gleich für ihren ersten Kinofilm erhielt die junge Schauspielerin einen Silbernen Bären: Auf der Berlinale 2023 wurde Thea Ehre für ihre Rolle in dem Film "Bis ans Ende der Nacht" ausgezeichnet. Die 23-Jährige überzeugt als trans* Frau durch die intensive Darstellung wechselnder Gefühlswelten. Sie durchlebt eine Gratwanderung zwischen Liebe und Hass, Anziehung und Abwehr – einerseits verletzlich und zart, andererseits kess und kampfbereit, um den Weg zu sich selbst zu finden.

Thea Ehre studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaften in Wien. Die Schauspielerin debütierte 2019 vor der Kamera mit einer kleinen Rolle in der Fernsehserie „Vorstadtweiber“. Nach diversen Kurzfilmen gehörte sie 2021 zur Besetzung der Prime Video Serie „Luden - Könige der Reeperbahn“. Zwischenzeitlich spielt Thea Ehre auch Theater in dem Stück FUGUE FOUR : RESPONSE am Volkstheater Wien. Ihr Geburtsgeschlecht war männlich. Als trans* Frau outete sie sich im Februar 2021 – und zwar im Rahmen der Initiative #actout im SZ-Magazin, zusammen mit 184 anderen lesbischen, schwulen, bisexuellen, queeren, nicht-binären und trans* Schauspieler:innen.

Nach ihrer Auszeichnung auf der Berlinale widmete Thea Ehre den Silbernen Bären der trans* Community, die sie sehr unterstützt habe. In einer Pressekonferenz auf dem Festival gab die frisch gebackene Preisträgerin ihrer Hoffnung Ausdruck, dass sich durch „Bis ans Ende der Nacht“ (ab 22.6.2023 im Kino) viele Menschen angesprochen fühlen und darüber nachdenken, wie sie mit anderen Menschen umgehen. Insgesamt wünscht sich Ehre mehr Sichtbarkeit für trans* Menschen. Vor allem sollte sich ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass viele trans* Frauen in prekären Situationen lebten und Anfeindungen ausgesetzt seien.

Thea Ehre spielt preiswürdig

„Bis ans Ende der Nacht“ ist Thea Ehres Kinodebüt. Sie spielt die trans* Frau Leni, die wegen Drogendelikten ins Gefängnis musste. Ihr wird vorzeitige Haftentlassung versprochen, wenn sie mit dem verdeckten Ermittler Robert (Timocin Ziegler) zusammenarbeitet: Sie soll seine Partnerin spielen, damit er sich unauffällig ins Drogenmilieu einschleusen kann. Angesetzt werden die beiden auf den Großdealer Victor (Michael Sideris): Robert soll Victors Vertrauen gewinnen, um dessen kriminelle Machenschaften aufdecken zu können. Der erste Kontakt wird in einer Tanzschule hergestellt – übrigens wie viele andere Szenen am Originalschauplatz gedreht -, wo Victor mit seiner Freundin einen Tanzkurs besucht.

Liebe mit Fußfessel

Das Paar-Spiel von Leni und Robert bleibt nicht nur Spiel. Denn der schwule Robert war früher mit Leni in einer echten Beziehung zusammen – als Leni noch ein Mann war. Nun aber stößt Lenis neue Identität als Frau ihn zunächst ab, und er lässt sie das brutal spüren. Leni muss in ihrer geliehenen „Freiheit“ eine Fußfessel tragen. Robert selbst legt sie ihr an und sagt dabei zynisch: „Du bist immer noch im Gefängnis, deine Zelle ist jetzt nur ein bisschen größer.“

Doch allmählich kehren seine alten Gefühle zurück, es kommt zu zärtlichen Annäherungen. Robert wird hin und her gerissen, die Mauer zwischen Spiel und echten Gefühlen bricht zusammen. Doch die Liebe der beiden steht unter doppelter Spannung: zum einen belastet durch das Machtgefälle aufgrund Lenis eingeschränkter Freiheit – zum anderen durch ihre Transition.

„Schönes Mädchen hat Herz so schwer“

„Schönes Mädchen ist ach so traurig, schönes Mädchen hat Herz so schwer“ singt Leni in einer Szene. Dieser Song von Esther und Abi Ofarim aus dem Jahr 1964 passt hier wunderbar – wie auch die weitere, originelle Musikauswahl. Regisseur Christoph Hochhäusler schafft es, sein Melodram mit alten Schlagern atmosphärisch aufzuladen. So wird der spannende Plot unter anderem untermalt mit Liedern von Hildegard Knef („Ich erkenn dich nicht wieder“) und Heidi Brühl („Eine Liebe so wie du“).

Hochhäusler gelingt hier das Kunststück, die beiden Genres Krimi und Autorenkino zu vereinen. Sein Spiel mit Identitäten und Täuschungen, echten und falschen Gefühlen hat er eingebettet in eine atemlose Kriminalgeschichte, die keine Eskalation scheut. „Ich wollte einen Film machen, der hitzig ist, schmerzhaft, rau“, so der Regisseur, „einen Film, in dem die Krise der Männlichkeit als Oper aufgeführt wird.“