Bühne frei für Gerburg Jahnke

Gerburg Jahnke startet 2023 auf der Bühne wieder durch.
Foto © Harald Hoffmann

Schauspielerin, Kabarettistin, Regisseurin, Botschafterin: Egal, was Gerburg Jahnke anfasst, es wird komisch. Die frauenbewegte Kabarettistin fegt durch den Alltag, und ihr entgeht kein bisschen Peinlichkeit – bei Männern, Frauen und bei Paaren.

Das „Damenbad“, die 100-prozentige Frauenquote auf der Theaterbühne im Oberhausener Ebertbad, musste Gerburg Jahnke wegen der Pandemie verschieben. Ebenso die Termine für „Frau Jahnke hat eingeladen“, das Kabarettistinnen-Programm für unterwegs. Doch dass die Vollblut-Bühnenfrau aus dem Ruhrgebiet trotz Corona weitergearbeitet hat, daran gibt es keinen Zweifel. Immerhin macht Gerburg Jahnke seit über 40 Jahren Theater. Und zwar humorvolles. Die künstlerische Bestätigung erhielt sie auch während der Pandemiejahre: 2020 wurde sie als erste Frau mit dem Ehrenpreis des Deutschen Kabarettpreises verwöhnt und 2022 in der Kategorie Ehrenpreis mit dem Hessischen Kabarettpreis.

Geboren 1955 in Oberhausen-Osterfeld in eine Bergarbeiterfamilie, brauchte Gerburg – germanisch für "die Speersammlerin" – zwei Gymnasien bis zum Abitur. Jahnke wollte Lehrerin werden für Kunst und Deutsch, unterrichtete schon während des Studiums und schmiss genau deshalb mit dem Examen das Berufsziel. Sie lebte von VHS-Kursen zu Frauenliteratur, vom Frauenstraßentheater in Deutschland und Frankreich, und sie gründete, als sie 30 Jahre alt war, mit Stephanie Überall das Duo Missfits.

Von den unterschiedlichen Frauenfiguren der beiden Kabarettistinnen waren wohl Matta und Lisbeth die bekanntesten: zwei alte Damen, die viel Ironie für Männer übrig haben und schlüpfrig über Sex reden. 20 Jahre brachten die Missfits auf der Bühne wie auf dem TV-Bildschirm Frauen und Männer zum Lachen. Überall und Jahnke trennten sich 2005 nach der Abschiedstournee „Letzte Runde“. Bis dahin hatten sie Kabarett-Preise wie den Salzburger Stier, den Deutschen Kleinkunstpreis, Tegtmeiers Erben sowie den Ehrentitel „Bürger des Ruhrgebiets“ erhalten. Dazu passt die Missfits-Hymne: „Stehsse aufm Gasometer im Sturmesbrausen, und alles watte siehst, is Oberhausen“.

Mit 50 hat Gerburg Jahnke die Karten neu gemischt

Mit 50 Jahren Midlife-Crisis? Keine Spur: Gerburg Jahnke startete mit neuer Energie durch. Die leidenschaftliche Doppelkopfspielerin mischte alle Karten neu: als Kabarettistin solo und ab 2007 im WDR als Gastgeberin für andere Kabarettistinnen. Ihre „Ladies Night“ wanderte ins Erste und hatte im Schnitt 1,7 Millionen Zuschauer. Ende 2018 stieg Jahnke aus. Da hatte sie sich den Ehrenpreis des Prix Pantheon „Reif und bekloppt“ längst verdient.

Ihr komisches Talent lebte Gerburg Jahnke parallel als Schauspielerin aus. Zum Beispiel in der TV-Serie „Der Tod ist kein Beinbruch“, in der zwei gegensätzliche Schwestern ein Bestattungsunternehmen erben, natürlich in Oberhausen. Die beiden können sich nicht ausstehen, doch gegen den Konkurrenten kämpfen sie mit Lust und Eierlikörchen um jede Leiche.

Viel Selbstironie - und manchmal auch schlechte Laune

Doch damit nicht genug: Gerburg Jahnke produziert gerne eigene Ideen, sie führt Regie. Vor allem Komödien bringt die Künstlerin mit Erfolg auf die Bühne: „Kalte Colts und heiße Herzen“ aus dem Oberhausener Ebertbad wird zum Selbstläufer im Schmidt-Theater auf der Hamburger Reeperbahn. „Pommes – oder das fünfte Element“ wird ein voller Erfolg. Auf der Bühne wie privat beschäftigen Gerburg Jahnke Frauen und Männer, der Alltag und seine Fettnäpfchen. Die Selbstironie ist ihr auch mit 68 nicht abhandengekommen. „Mit den Jahren verliert man vieles“, sagt sie im 59plus-Interview. „Die Jugend, glatte Haut, die Haarfarbe. Aber man bekommt auch was: Falten, Gewicht, Unterhautfettgewebe, Hitzewallungen, Unkonzentriertheit, sehr schlechte Laune.“

Jahnke findet es prima, dass sie auch mal verkniffen sein darf, aber vor allem lacht sie gerne über die Veränderungen – gemeinsam mit anderen Frauen. Sie möchte altersgemäß aussehen dürfen. Und zählt auf, was sie mag: Sport, gutes Essen, selten kochen, Zigaretten qualmen, Wein trinken. Auf keinen Fall mag sie die Hälfte des Tages damit verbringen, übers Abnehmen oder über Schönheits-OPs nachzudenken.

Gerburg Jahnke als Botschafterin

Privatfrau Jahnke hat Katzen in der Wohnung und seit fast 30 Jahren ihren Dauerverlobten Hajo Sommers, Vorstandsvorsitzender des Fußballvereins Rot-Weiß-Oberhausen (Regionalliga West) und bis 2021 Chef des Privattheaters Ebertbad. Nach einem leichten Schlaganfall ihres Lebenspartners im April 2019 sortiert sich das Paar: Die beiden setzen eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht auf. In der WDR-Sendung „Kölner Treff“ sagt Jahnke im Februar 2020: „Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass dieser Kerl ‘nen Schlaganfall kriegt.“

Dabei mache sie sich immer Sorgen. Im September 2023 erzählt sie wiederum im "Kölner Treff", dass sie schon längst die Wohnung fürs Alter umgebaut haben: „Das Behindertenbad wird als Fahrradabstellraum genutzt, du kannst alles mit dem Rolli erreichen, und in ein kleines Zimmer passt ein Pflegebett.“ Das Fernsehgerät hänge an der Wand und könne Richtung Bett gedreht werden. „Das ist super“, sagt Jahnke mit leicht kichernder Skepsis, „wenn man genau die Krankheit kriegt, die man dafür braucht.“

Das Oberhausener Promi-Paar ist Botschafter für den Verein „Moyamoya Freunde und Förderer Deutschland“. Die seltene Erkrankung Moyamoya-Angiopathie ist eine krankhafte Verengung der Hirnarterien, die gerade bei jungen Menschen nur schwer zu diagnostizieren ist. Der Name leitet sich vom japanischen Wort für nebelig ab, weil die vielen engen Gefäße auf medizinischen Aufnahmen aussehen wie eine Nebelwolke. Den deutschen Ableger gründeten Ärzte und Neurowissenschaftler in Essen im Sommer 2019, am 6. Mai 2022 begingen auch sie den 10. Welt-Moyamoya-Tag.

Das Komische im Alltag finden

Hajo Sommers muss in so mancher Kabarettnummer seiner Verlobten Jahnke einiges einstecken, zum Beispiel, wenn es um die Gartenpflege von Männern geht. Die Kabarettistin macht eben auch vor ihrem Privatleben nicht halt. Manchmal, wenn andere eifern, klingt sie lakonisch. So ist Jahnke seit über 20 Jahren Vegetarierin. „Kann man machen“, schreibt sie unspektakulär auf ihrer Webseite. Gerburg Jahnke ist Mitglied bei Zonta-Oberhausen, einem überparteilichen Verein berufstätiger Frauen, der aus den USA nach Deutschland geschwappt ist und weltweit Projekte fördert, die Frauen und Mädchen stärken - etwa durch Bildung. Für sie als Feministin eine Selbstverständlichkeit. Wenn sich eine Frau einmal am Feminismus infiziert habe, meint sie, dann bleibe eben immer etwas hängen.

Künstlerisch ist das Frauenthema ein Dauerbrenner in ihren Stücken, etwa in „Heiße Zeiten – Die Wechseljahre-Revue“ oder in „Höchste Zeit“ mit vier Frauen im Hochzeitsrausch. Gnadenlos und bissig, zynisch und komisch, vor allem aber auch mal politisch unkorrekt sind die Szenen der Regisseurin Jahnke auf der Bühne. Sie erzählt freimütig, dass sie noch keinen guten Grund zum Heiraten gefunden hat. Und dass ihr Heilpraktiker ihr zum Start in die Wechseljahre einen Fächer geschenkt hat.

Neustart ab 2023

Auch wenn Gerburg Jahnke wirkt, als könne sie wenig erschüttern – Corona torpedierte ihre Kunst. In einem Interview mit der WAZ sagte sie: „Mich macht das Ganze stiller.“ Der Hauch Melancholie steht der Künstlerin gut. Aber auch während der Pandemie ruhte sie sich nicht aus: Seit November 2020 produziert sie wöchentlich mit Lisa Feller den Podcast „Frau Feller & Frau Jahnke“.

2023 startete sie auch auf der Bühne wieder durch: In den Ruhrpott und ins Münsterland, aber auch nach Bremen, Berlin und Erfurt lädt Frau Jahnke Kabarettkolleginnen ein - bis September 2024 stehen schon Termine fest. Zwischendurch können Fans die Filmschauspielerin Gerburg Jahnke sogar beliebig oft sehen: in der ZDF-Mediathek als rüstige Rentnerin Gerda, die in „Mit Harpunen schießt man nicht“ den Schauspieler und Tänzer Eugene Boateng zum Pfleger auf Zeit verpflichtet, statt sich von der Tochter im Heim unterbringen zu lassen: "Solange ich die böse Eigensinnige spielen durfte, hat es Spaß gemacht, aber als ich laut Drehbuch netter werden musste, da musste ich wirklich richtig arbeiten.“

 

Aktualisiert am 1.10.2023