So bewahren Diabetiker starke Nerven

Regelmäßige Arztbesuche beugen Folgenschäden vor

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Zucker geht an die Nerven: Nervenschäden zählen zu den häufigsten Folgeerkrankungen bei Diabetes. Beim diesjährigen Diabetes-Kongress in Berlin berichteten Experten, wie Diabetiker ihre Nerven schützen können.

Nervenschäden galten früher als Spätkomplikation des Diabetes. Tatsächlich sind sie aber eher als „Frühfolge“ zu bezeichnen: Denn erste Nervenschäden entstehen bereits im Vorstadium des Diabetes, also oft schon, bevor die Krankheit überhaupt diagnostiziert wird. Das erklärte Professor Dr. Dan Ziegler auf dem Diabetes-Kongress 2019 in Berlin. Unter Personen mit bekanntem Diabetes tritt die Nervenerkrankung – Ärzte sprechen von diabetischer Neuropathie – bei etwa jedem dritten Patienten auf, so der stellvertretende Direktor am Institut für Klinische Diabetologie des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Viele Diabetiker wissen aber noch gar nicht, dass bei ihnen bereits Nervenschäden vorliegen, warnte Ziegler.

Denn die Signale der angegriffenen Nerven werden anfangs kaum wahrgenommen oder erscheinen harmlos: Schleichend nimmt an den Füßen das Gespür für Berührungen, Temperaturen oder Schmerzen ab. Bei einigen Diabetikern kribbeln die Zehen oder brennen die Sohlen, andere empfinden ein Taubheitsgefühl – die Beschwerden sind vielfältig. Nur eines lässt sich generell sagen: Bei Nervenschäden sind zunächst die Füße von den Empfindungsstörungen betroffen.

Nervenschäden kann der Hausarzt schon früh erkennen

Professor Ziegler appellierte an alle Diabetiker, ihre Füße regelmäßig beim Arzt untersuchen zu lassen und Auffälligkeiten immer ernst zu nehmen. „Durch einfache Untersuchungen kann eine Neuropathie in frühen Stadien erkannt werden“, sagte der Diabetologe. Unbehandelt schreitet sie dagegen voran. Viele Betroffene leiden zunehmend unter Missempfindungen und teils unerträglichen Schmerzen in den Füßen. Gleichzeitig erhöht die nachlassende Sensibilität das Risiko für ein diabetisches Fußsyndrom: Wunden werden zu spät bemerkt, verheilen schlecht, es entstehen Geschwüre, Gewebe stirbt ab – schließlich wird eine Amputation unvermeidlich.

„Dennoch wird die Neuropathie-Untersuchung beim Allgemeinarzt nicht hinreichend in Anspruch genommen“, beklagte Ziegler mit Verweis auf die Ergebnisse der PROTECT-Studie mit 1.850 Diabetikern: Fast 70 Prozent der Teilnehmer mit Anzeichen für eine Neuropathie wussten nicht, dass sie von Nervenschäden betroffen sind.

Gute Blutzuckerwerte und ein gesunder Lebensstil

Je eher erkannt und behandelt, desto besser können Nervenschäden aufgehalten werden. Das Mitwirken der Betroffenen ist nicht nur bei der Früh-Diagnose, sondern auch bei Prävention und Therapie von zentraler Bedeutung, erklärte Privat-Dozent Dr. med. Ovidiu Alin Stirban, Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin – Endokrinologie & Diabetologie an der Schön Klinik Nürnberg-Fürth. Eine möglichst optimale Einstellung des Blutzuckerspiegels sei sehr wichtig, reiche aber bei Personen mit einem Typ-2-Diabetes nicht aus.

Hier seien weitere Maßnahmen erforderlich, zu denen auch Veränderungen des Lebensstils zählen, sagte der Diabetologe mit Verweis auf Studiendaten. Wenn Diabetiker zusätzlich zur medikamentösen Therapie am Lebensstil feilen, sich bewusst ernähren, Übergewicht abbauen, sich regelmäßig bewegen sowie Alkohol und Nikotin meiden, können sie nicht nur der Entstehung einer diabetischen Neuropathie vorbeugen, sondern auch eine bereits existierende Nervenschädigung zumindest teilweise rückgängig machen. Wichtig sei außerdem, einen Mangel an Vitamin B1 auszugleichen, so Stirban: Denn Diabetiker seien häufig von einem massiven Mangel an dem wichtigen Nerven-Vitamin betroffen, weil sie es vermehrt über die Nieren ausscheiden.