Mit Diabetes im Ramadan fasten: Eine Herausforderung

Diabetiker müssen nicht, können aber im Ramadan fasten, wenn sie einige Regeln bei der Ernährung beachten

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Obwohl sie von der Fastenpflicht befreit sind, möchten viele Muslime mit Diabetes im Ramadan fasten. Sie sollten dies aber nur unter ärztlicher Begleitung tun, rät die Deutsche Diabetes Gesellschaft.

2020 hat der religiöse Fastenmonat Ramadan am 23. April begonnen. Obwohl Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes im Ramadan von der Pflicht zu fasten befreit sind, wollen viele muslimische Diabetiker von dieser Ausnahme keinen Gebrauch machen: Sie möchten den Ramadan ebenso begehen wie die anderen Familienmitglieder. „Der Ramadan ist nicht nur ein religiöses Dogma“, erklärt Dr. med. Mahmoud Sultan von der AG „Diabetes und Migranten“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Der Fastenmonat geht auch mit sozio-kulturellen Aspekten, wie das gemeinsame Fastenbrechen am Abend, einher. Wer daran nicht teilnimmt, kann sich schnell ausgeschlossen fühlen.“

Daher bestehen viele muslimische Diabetiker auf Einhaltung der religiösen Pflicht, obwohl sie laut Koran wie auch Schwangere, ältere Menschen und solche, die dauerhaft schwere körperliche Arbeit verrichten, befreit wären. Eine Studie ergab, dass fast 80 Prozent aller Muslime mit Typ-2-Diabetes für mindestens 15 Tage fasten. „Es ist daher besonders wichtig, diese Menschen in ihrer Diabetestherapie kulturell sensibel zu betreuen und ihnen das Fasten zu ermöglichen, soweit es medizinisch möglich ist“, erklärt die Diabetes- und Diätassistentin Johanna Karapinar aus Osnabrück.

Das gemeinsame Fasten stärkt den Zusammenhalt

Insbesondere während der jetzigen Corona-Pandemie gebe der Ramadan der Glaubensgemeinschaft noch mehr Zusammenhalt und stärke die durch das „Social Distancing“ geschwächte Psyche. „Wir beobachten derzeit in der Praxis, dass das Bedürfnis der Patienten nach Fasten besonders hoch ist – es gibt ihnen eine Aufgabe.“ Zudem könne sich die Fastenzeit positiv auf die körperliche Gesundheit auswirken. „Viele haben in der Zeit der heimischen Isolation auch aus Langeweile gekocht und gegessen“, berichtet Johanna Karapinar. Eine nun durch das Fasten reduzierte Kalorienaufnahme könne ihnen helfen, die Therapieziele bei Diabetes besser zu erreichen.

„Dabei empfehlen wir Patienten, beim abendlichen Fastenbrechen darauf zu achten, möglichst wenig Kohlenhydrate zu sich zu nehmen.“ Brot, Kartoffeln und Reis sowie süße Baklava oder gesüßte Getränke sollten in geringen Mengen konsumiert werden. Dann wäre auch eine medikamentöse Anpassung einfacher, so die staatlich anerkannte Diätassistentin.

Erhöhtes Risiko für gefährliche Unterzuckerungen

Der stark veränderte Tag-Nacht-Rhythmus, den die Fastenden im Ramadan durchleben, stellt die Diabetestherapie vor große Herausforderungen. Während es am entbehrungsreichen Tag zu Unterzuckerungen kommen könnte, droht nach dem ausgiebigen Abendmahl eine Überzuckerung. Das Risiko für Unterzuckerungen ist bei Diabetes im Ramadan um das Siebenfache erhöht – die Gefahr für schwere Unterzuckerungen mit Krankenhausaufenthalt steigt um das Fünffache.

„Um diese Gefahr therapeutisch abzufedern, müssen die Medikamente angepasst und die Therapieumstellung gut geplant werden“, führt Dr. Mahmoud Sultan aus. Antidiabetika wie Metformin, DPP-4-Inhibitoren, SGLT-2-Inhibitoren oder GLP-1-Analoga können meist unverändert weiter eingenommen werden. Hier ist nur eine entsprechende Anpassung bei Veränderungen der Kalorienzufuhr beziehungsweise schwerer körperlicher Arbeit zu beachten. Sulfonylharnstoffe hingegen bergen ein erhöhtes Risiko für Unterzuckerungen, diese Medikamente sollten während des Ramadans nur vor dem Fastenbrechen genommen werden.

Bei Diabetes im Ramadan verstärkt auf den Zuckerspiegel achten

Die Insulintherapie können Patienten individuell nach Kalorienaufnahme anpassen. Insbesondere ist die morgendliche Dosierung von Insulin und anderen Medikamenten, die eine gefährliche Unterzuckerung über den Tag auslösen können, stets zu überprüfen. Die beiden Experten raten, das Fasten umgehend zu unterbrechen, sobald der Blutzucker auf Werte unter 70 mg/dl abfällt beziehungsweise auf über 300 mg/dl ansteigt. Das gilt natürlich auch, falls die Symptome einer Unterzuckerung oder Dehydrierung auftreten. „Eine genaue Beobachtung des Blutzuckerspiegels ist nun in der aktuellen Corona-Pandemie wichtiger denn je“, betont Mahmoud Sultan. „Im Falle einer Erkrankung mit COVID-19 könnte ein durch Fasten beeinträchtigter Diabetesstoffwechsel mit einem schwereren Infektionsverlauf einhergehen.“

Den meisten Patienten gelänge die Umstellung ohne größere Probleme, berichtet Dr. Sultan. Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes und Diabetikern mit fehlender Bereitschaft, den Blutzucker regelmäßig zu prüfen, rät er dagegen, mit täglichen Essens- oder Geldspenden andere Gläubige zu unterstützen und so ihre religiösen Pflichten zu erfüllen. Denn diesen Patienten würden in der Fastenzeit vermehrt gefährliche Unter- oder Überzuckerungen drohen. Auch Menschen mit Vorerkrankungen – beispielsweise an Herz, Kreislauf und Nieren – sollten vom Fasten absehen. Auf der Homepage von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe können sich Betroffene ausführlich zum Fasten mit Diabetes informieren.