Vom Baderitual zum Thermalbad
Im Thermalbad Entspannung und Erholung finden – das ist keine Erfindung der Neuzeit. Die Tradition des Badewesens geht zurück bis ins alte Ägypten.
Das Thermalbad hat eine lange Tradition. Bereits im alten Ägypten pflegte die Oberschicht regelmäßige Baderituale. Sie dienten zunächst weniger der Schönheit, sondern hatten vor allem einen rituell-religiösen Hintergrund. Erst später kam der Wellness-Faktor hinzu.
In der griechischen Antike bekam dann speziell das Schwimmen einen hohen Stellenwert. Denn es stand auf einer Stufe mit den Wissenschaften. Ob jemand schwimmen konnte, avancierte sogar zum Auswahlkriterium beim Besetzen öffentlicher Positionen. Galt es hier noch, diese Disziplin im kalten Wasser zu absolvieren, erfanden die Römer mit ihren beheizbaren Anlagen einen wesentlichen Wohlfühlfaktor. So genannte „Balnea“ dienten der täglichen Reinigung und Körperhygiene. Parallel entstanden große, repräsentative „Thermae“, die aus Prestigegründen immer prachtvoller wurden.
Das Thermalbad der Römer
Im römischen Thermalbad basierte der typische Ablauf eines Besuchs auf vier Bausteinen: körperliche Aktivität, wechselwarme Anwendungen mittels temperierter Luft oder Wasser, Körperbehandlungen wie Massagen sowie eine abschließende Ruhephase für Körper und Geist. Der damalige Entwicklungsstand des Badewesens war bereits mit den heutigen Standards vergleichbar.
Mit dem römischen Reich ging auch dessen Badekultur unter. Lediglich im Byzantinischen Reich und der osmanischen Türkei blieb das Badewesen erhalten – in Form der Hamams. Sie besaßen jedoch wieder einen eher religiös-rituellen Charakter.
Die Badestuben im Mittelalter
Erst im Mittelalter erlebte das Badewesen in Westeuropa eine Renaissance. Inspiriert von ihren Feldzügen in den Nahen Osten installierten die Kreuzritter Badestuben auf ihren Burgen. In den Städten etablierten sich später öffentliche Varianten. Dort stand allerdings nicht nur das Baden im Mittelpunkt – es wurde dort auch gegessen, getrunken und weiteren Sinnesfreuden gefrönt. Außerdem behandelten sogenannte „Bader“ allerlei Beschwerden: Sie massierten, schröpften und nahmen sogar chirurgische Eingriffe vor.
Schon bald wurde dieser Boom allerdings gestoppt – aus Angst vor Krankheiten wie Pest und Syphilis, die sich in den Gemeinschaftsbecken gut verbreiten konnten. Ein weiterer Grund waren die steigenden Holzpreise, denn der natürliche Brennstoff wurde immer knapper und teuer.
Sonnenkönig ohne fließend Wasser
Danach besaß das Baden rund 200 Jahre lang eine so schlechte Reputation, dass Schloss Versailles sogar zur Zeit des Sonnenkönigs Ludwig XIV. weder über fließendes Wasser noch fest installierte Toiletten verfügte. Erst im 18. Jahrhundert entstanden in Europa die ersten Fluss- und Seebäder. Das Kurwesen nahm sogar erst im 19. Jahrhundert seinen Aufschwung, vor allem in mondänen Orten wie Baden-Baden, Bad Kissingen oder Montecatini Terme. Öffentliche Badeanstalten wurden ab 1840 als Anlaufstellen für Jedermann gegründet, um das allgemeine Hygieneverhalten zu verbessern.
Als dann ab etwa 1920 immer mehr Wohnungen und Häuser Badezimmer bekamen, trat für die öffentlichen Bäder der Aspekt Körperreinigung in den Hintergrund. Dafür wurde nun der sportlichen Ertüchtigung mehr Bedeutung zugemessen. Auch bei den Thermalbädern, die lange Zeit rein rehabilitationsorientierte Anlagen waren, setzten sich ab Mitte der 1980er Jahre neue Tendenzen durch. Zunächst hielt dort die Idee der Gesundheitsvorsorge Einzug, später dann ein wachsendes Wellness-Angebot. Paradebeispiel für diese Kombination ist die 1985 eröffnete Caracalla-Therme in Baden-Baden.
Das Thermalbad wird zur Wellness-Mall
Als allumfassender Misch-Typ kamen um die Jahrtausendwende Thermen oder gar Wellness-Malls hinzu, die Baden, Fitness, Sauna, Therapie, Schönheit, Gastronomie und mittlerweile auch Hotels in einer Anlage zusammenfassen. Resultat ist vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine breitgefächerte Bäder-Landschaft. „Herausforderung hier ist es, den großen Bestand zu erhalten und zeitgemäß zu sanieren“, sagt Dr. Stefan Kannewischer, Betriebswirt und Geschäftsführer der Kannewischer Management AG.
Reise-Entscheidungen hängen heute immer häufiger vom Vorhandensein einer attraktiven Therme ab, es hat sich ein regelrechter Thermen-Tourismus entwickelt. Insgesamt lasse sich feststellen, dass die Höhepunkte des Badewesens von den alten Ägyptern bis in die Neuzeit immer mit den Höhepunkten einer Kulturepoche einhergingen, so Stefan Kannewischer: „Strebt der Mensch zunächst danach, seine physiologischen Bedürfnisse zu befriedigen, wird ihm mit zunehmendem Wohlstand irgendwann die Selbstverwirklichung wichtig. Dieser egozentrische Prozess geht einher mit einem regelrechten Schönheitskult. Und wo könnte man diesem besser huldigen als in einer Therme oder Wellness-Mall?“