„Ich bin Inger. Und ich bin schizophren.“
Der Film „Rose“ erzählt eine Geschichte aus dem Leben der schizophrenen Inger: Sie unternimmt mit ihrer Schwester und ihrem Schwager eine Busreise nach Paris. Schon kurz nach der Abfahrt spricht Inger ganz offen von ihrer psychischen Erkrankung. Die Mitreisenden reagieren verunsichert, teilweise ablehnend. Doch auch für sie wird diese Reise - dank Inger - ein unvergessliches Erlebnis.
„Rose“ (ab 28.9.2023 im Kino) ist ein besonderer Film. Mutig, weil er von einer Frau erzählt, die schizophren ist. Gelungen, weil er das schwere Thema äußerst sensibel und respektvoll behandelt. Leichtfüßig, weil er voller Humor steckt. Und zeigt, dass man auch mit einem schwer psychisch kranken Menschen wie Inger erfüllende, bereichernde Momente erleben kann – wenn man ihr offen und vorurteilsfrei begegnet.
So wie es ein Junge aus der Reisegruppe tut: Der knapp 13-jährige Christian (Luca Reichardt Ben Coker) ist fasziniert von Ingers (Sofie Gråbøl) Direktheit: Sie spricht unverblümt aus, was sie denkt. Auch wenn es um den Sex mit ihrem ehemaligen Liebhaber Jacques (Jean-Pierre Lorit) geht: Als junge Frau lebte sie in Paris und war mit ihm glücklich liiert – bis er gestand, verheiratet und Vater zu sein. Der Schock durch diese Enttäuschung und die folgende Trennung war ein Auslöser für ihre Psychose.
Inger hat gute und schlechte Phasen
Christian zeigt sich offen für Ingers Geschichte, ist neugierig, fragt sie etwa: „Ich verstehe nicht, wie du verrückt werden konntest, weil du verliebt warst?“ Inger zeigt ihm den letzten Liebesbrief von Jacques. Christian entdeckt auf dem Umschlag die Adresse des Absenders – und stellt die für den weiteren Verlauf der Reise entscheidende Frage: „Wohnt er noch da?“
Der Film beschönigt nichts, er zeigt intensiv auch die schlechten Phasen von Inger, in denen sie nicht mehr gehen will, die Reise abbrechen will, von Suizidgedanken gequält wird. Sehr deutlich wird die enorme Verantwortung, die ihre Schwester Ellen (Lene Maria Christensen) hier trägt – immer auf dem schmalen Grat balancierend, Inger behüten und beschützen zu wollen, ohne ihr die Würde zu nehmen und ihre Unabhängigkeit einzuschränken.
Einzigartig, intelligent, talentiert – und schizophren
Regisseur Niels Arden Oplev („Portland“, „We shall overcome“, „Verblendung“) hatte die Idee zu diesem Film seit vielen Jahren im Kopf. Denn er erzählt von seiner eigenen Schwester, die schizophren ist und genau eine solche Reise nach Paris tatsächlich gemacht hat – vor mehr als 25 Jahren. Inger, wie Oplev sie im Film nennt, arbeitete als junge Erwachsene in Frankreich. Als sie von dort nach Dänemark zurückkehrte, begann sich ihre psychische Erkrankung zu zeigen. „Die Busreise viele Jahre später war ein Versprechen meiner anderen, frisch verheirateten Schwester und ihres Mannes, Inger die Möglichkeit zu geben, Frankreich erneut zu besuchen“, erklärt der Regisseur. „Sie wurde zu einer Familienlegende, weil Inger jeden Tag der Reise rettete, und weil alle Reisenden sie liebten, obwohl sie sich anfangs vor der Vorstellung fürchteten, mit einer psychisch kranken Person den ganzen Tag im Bus zu sitzen.“
Niels Arden Oplevs Film will nicht Ingers Schizophrenie erklären, sondern ihre Persönlichkeit. „Mir wurde klar, dass es interessanter wäre, Ingers Qualitäten in den Mittelpunkt zu stellen, anstatt mich auf das Leiden ihrer psychischen Krankheit zu konzentrieren – um zu zeigen, wie einzigartig und talentiert sie ist, trotz der Last, die sie trägt“, sagt Oplev. Mit Sofie Gråbøl hat er eine fantastische Darstellerin für Inger gefunden: Die als kühle Kommissarin Sarah Lund aus der Erfolgsserie „Das Verbrechen“ bekannte Schauspielerin spielt diese schwierige Rolle mit beeindruckender Intensität und großem Einfühlungsvermögen.