Marfan-Syndrom: Lebensgefährliche Bindegewebsschwäche

Das Marfan-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung des Bindegewebes, die lebensgefährliche Folgen haben kann. Rechtzeitig entdeckt, kann das Marfan-Syndrom aber gut behandelt werden.

Lincoln Statue

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Als Abraham Lincoln, 16. Präsident der Vereinigen Staaten von Amerika, vor über 200 Jahren geboren wurde, war das Marfan-Syndrom noch unbekannt. Was vielen Zeitgenossen dennoch auffiel, war Lincolns ungewöhnliche Erscheinung - der Präsident überragte seine Mitmenschen um Haupteslänge, hatte extrem lange Arme und ein längliches Gesicht. Diese Merkmale veranlassten Ärzte und Biographen nach Lincolns Tod immer wieder zu medizinischen Spekulationen. Seit etwa 50 Jahren vermutet die Wissenschaft, Lincoln könne unter dem Marfan-Syndrom gelitten haben.

Ende des 19. Jahrhunderts – gut 30 Jahre nach Lincolns Tod – beschrieb der französische Kinderarzt Antoine Marfan die Krankheit erstmals. Heute weiß man viel über die seltene, angeborene Bindegewebsschwäche, unter der in Deutschland schätzungsweise 10.000 Menschen leiden.

Genetischer Defekt

Beim Marfan-Syndrom handelt es sich um einen genetischen Defekt. Leidet ein Elternteil unter der Erkrankung, so liegt das Risiko, sie auf den Nachwuchs zu vererben, bei 50 Prozent. Bei Marfan-Patienten wird das Fibrillin, ein wichtiger Bestandteil des Bindegewebes, falsch oder in zu geringer Menge gebildet. Dadurch kommt es zu einer Bindegewebsschwäche, die überall im Körper negative Auswirkungen haben kann.

Häufig - aber nicht immer - fallen Marfan-Patienten durch besondere äußerliche Merkmale auf. So sind sie meist sehr groß, und viele haben auffällig lange Beine oder Arme sowie besonders biegsame Finger. Der Hochwuchs ist oft mit einer Verbiegung der Wirbelsäule kombiniert. Zu den äußerlichen Auffälligkeiten zählt zudem eine Trichterbrust.

Das Marfan-Syndrom hat gefährliche Folgen

Folge eines Marfan-Syndroms können Sehstörungen sein. Kurzsichtigkeit ist oft das erste Symptom der Erkrankung. Ebenfalls auffällig ist ein grauer Star schon in mittleren Lebensjahren – die Augenlinse trübt sich ein. Oft kommt es auch relativ früh zum grünen Star, und Netzhautablösungen können sogar zur Erblindung führen.

Lebensbedrohliche Folgen der Erbkrankheit sind Veränderungen im Kreislaufsystem. Durch das schwache Bindegewebe dehnt sich bei einem Großteil der Marfan-Patienten die Hauptschlagader (Aorta) mit den Jahren aus. In der Gefäßwand können sich Risse bilden, schlimmstenfalls kann die Aorta platzen – ein medizinischer Notfall und die häufigste Todesursache von Marfan-Betroffenen. Das Marfan-Syndrom beeinträchtigt außerdem sehr oft die Funktion der Herzklappen. Die Pumpkraft lässt deshalb allmählich nach, und es kann zu Rhythmusstörungen kommen.

Nicht heilbar, aber behandelbar

Die angeborene Bindegewebsschwäche ist nicht heilbar. Dennoch können Marfan-Patienten heute ein weitgehend normales Leben führen und auch ein hohes Alter erreichen – wenn die Diagnose rechtzeitig gestellt wird. Für eine optimale Versorgung ist es wichtig, dass erfahrene Fachärzte aus verschiedenen Disziplinen zusammenarbeiten. Am besten erfolgt die Behandlung in einem klinischen Zentrum, das sich auf die Versorgung von Marfan-Patienten spezialisiert hat.

Zu den wichtigsten Therapiemaßnahmen gehört eine Senkung des Blutdrucks, um die Wand der Aorta zu entlasten. Insbesondere Herz und Gefäße müssen regelmäßig untersucht werden; gegebenenfalls ist eine Operation erforderlich. Eingriffe an den Herzklappen oder der Aorta verhindern schwere Komplikationen. Probleme mit den Augen lassen sich in den meisten Fällen durch Kontaktlinsen, spezielle Gläser und Laserbehandlung in den Griff bekommen. Schäden an Knochen und Gelenken könne durch eine rechtzeitige Therapie vermieden werden.

Kraftakte und Kontaktsport vermeiden

Um ihre Gesundheit zu schützen, müssen Marfan-Patienten leider gewisse Einschränkungen in Kauf nehmen. Größere körperliche Belastungen, schweres Heben und Kontaktsportarten wie etwa Fußball oder Judo sollten unbedingt vermieden werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass Erkrankte komplett auf sportliche Aktivitäten verzichten müssen. Im Gegenteil: Ein mit dem Arzt abgestimmtes, leichtes Ausdauertraining ist sowohl für das körperliche Wohlbefinden als auch für das seelische Gleichgewicht wichtig.