Autismus: Therapie im Fußball-Stadion

Der Film Wochenendrebellen rückt das Thema Autismus authentisch, einfühlsam und mit Humor in den Fokus.
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Der Film „Wochenendrebellen“ erzählt die Geschichte des zehnjährigen Jason. Jason ist Autist. Der Alltag mit Autismus ist für ihn und seine Eltern extrem anstrengend. Bis sein Opa eine Idee hat: Der Junge braucht einen Lieblings-Fußballverein. Aber welcher soll das sein? Jason und sein Vater machen sich auf eine Suche, die ihr Leben verändert.

Jason (Cecilio Andresen) ist ein Wunschkind. Seine Eltern Fatime (Aylin Tezel) und Mirco (Florian David Fitz) könnten nicht glücklicher sein, doch manches am Verhalten des knapp Dreijährigen macht sie stutzig. Die Diagnose beim gemeinsamen Arztbesuch lautet Autismus, genauer gesagt Asperger-Autismus. „Ihr Sohn kann eine ganz andere Wahrnehmung haben als wir“, sagt die Ärztin. „Das kann heißen, dass das, was wir als Hintergrundgeräusche kaum mehr wahrnehmen, für ihren Sohn alles Störgeräusche sind. Dass er Schwierigkeiten hat, mit Gleichaltrigen umzugehen. Dass er soziale und emotionale Signale nicht deuten kann. Dass er alles wortwörtlich nimmt. Es kann aber auch heißen, dass ihr Sohn spezielle Interessen entwickelt. Oder auch, dass er sich ein strenges Regelwerk und Routinen aufbauen muss, um die Anstrengungen des Alltags zu bewältigen. Autismus ist eine Behinderung und nicht heilbar.“

Was diese Behinderung für den Alltag bedeutet, zeigt „Wochenendrebellen“* (ab 28. September 2023 im Kino) eindrücklich. So hat der Zehnjährige in der Schule mit dem fehlenden Verständnis seiner Mitschüler:innen zu kämpfen, was im Schulalltag täglich zu Konflikten führt. Auch Jasons Lehrerin hat Stress mit dem Jungen, der streng auf Fakten und Wahrheit pocht. Gebe es keine Besserung, so die Rektorin, müsse Jason auf eine Förderschule wechseln. Zur „Sonderschule“ gehen? Das will Jason auf keinen Fall!

Ein Pakt zwischen Vater und Sohn

Was tun? Jasons Opa (Joachim Król) hat eine Idee: Jeder Junge hat doch einen Lieblings-Fußballverein. Jason sei nun alt genug, auch einen zu wählen. Jason findet: Wenn jeder Junge einen hat, will er endlich auch einen Lieblingsverein! Um eine Entscheidung treffen zu können, muss er sich aber erst einmal jeden einzelnen bei einem Spiel im Stadion genau ansehen. Und zwar nicht nur die Clubs in der 1. Bundesliga, sondern auch die der 2. und 3. Liga. Das heißt: zu 56 Vereinen, zu 56 Stadien in ganz Deutschland reisen!

Mirco hat einen Vorschlag: Er bietet Jason an, mit ihm an 56 Wochenenden jeweils eines von all diesen Stadien zu besuchen. Als Gegenleistung muss der Junge seinem Papa versprechen, sich in der Schule nicht mehr provozieren zu lassen. Jason willigt ein – und schon bald wird Mirco klar, auf was er sich da eingelassen hat.

Menschen mit Autismus kommen ständig an ihre Grenzen

Der Plan ist eigentlich verrückt. Ausgerechnet ein Mensch mit Autismus, der Berührungen kaum ertragen kann und Geräusche noch weniger, will Fußball-Stadien besuchen – Orte, an denen ein Riesenlärm herrscht und ständig Berührungen durch Wildfremde möglich sind. Unbewusst wählt Jason selbst eine extreme Konfrontationstherapie. Der Film zeigt, was starke Willenskraft bewirken kann: Jason zieht das Ding durch. Und geht sogar beim BVB in Dortmund auf die Südtribüne, wo 25.000 Menschen eng zusammenstehen – und er beim Torjubel mit Bier überschüttet wird. Normalerweise würde ein Mensch mit Asperger-Syndrom in solch einer Situation die Nerven verlieren und ausrasten. Doch Jason besiegt seine Angst und das Unwohlsein.

„Wochenendrebellen“ verdeutlicht sehr bewegend, was das Leben mit Autismus für die Betroffenen und ihre Familien bedeutet. Nicht zuletzt die mangelnde Empathie der Umwelt bringt sie im Alltag ständig an die Belastungsgrenze. Dem Zuschauer wird klar: Menschen wie Jason sind hochintelligent und könnten es weit bringen, wenn man sie entsprechend fördern und ihnen passende Bedingungen schaffen würde. Ein berührender, fesselnder Film – unbedingt empfehlenswert!

 

*Der Film basiert auf der wahren Geschichte von Mirco und Jason von Juterczenka.