Störgeräusch Husten: Nur Schmatzen ist schlimmer

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Husten kann ganz schön nerven – auch die Mitmenschen. Warum uns das „Störgeräusch Husten“ so auf den Wecker geht, erklärt Pneumologe Dr. Kai Michael Beeh im Interview mit ratgebergesund.de.

Herr Dr. Beeh, warum empfinden wir gerade Husten als extrem störendes Geräusch?

Zuallererst hat das evolutionäre Gründe. Husten ist in den Augen unserer Mitmenschen ein Warnzeichen für einen möglichen ansteckenden Infekt: „Achtung, der hustet – der ist möglicherweise krank, von dem muss ich mich fernhalten!“ Weiterhin sind die Geräusche sehr schwer zu ertragen. Husten ist in unseren Ohren eine ordentliche Ruhestörung, gegen die wir aber leider machtlos sind.

Was genau bedeutet das?

Will heißen: Wir können nicht beeinflussen, wann unser Gegenüber das nächste Mal wieder hustet. Husten hat diesen quälenden „Wann hört das endlich auf?“-Faktor. Wenn man glaubt, das Gegenüber hat es überstanden, kommt schon die nächste Salve. Das kann extrem nervenaufreibend sein. Weiterhin schwingt bei Husten immer gleich das Ekel-Gefühl mit. Vor allem produktiver, schleimiger Husten spielt da in derselben Liga wie die Geräusche beim Übergeben, Würgen oder Schniefen.

Dann beeinflusst das „Störgeräusch Husten“ unsere Emotionen wohl sehr stark?

Ja, absolut. Husten stört allerdings anders als die meisten sonstigen fiesen Geräusche. Es ist nicht gleichzusetzen mit dem typischen „Fingernagel-auf-der-Tafel-Kratzen“. Aber Husten nervt und kann Wut und Aggressionen auslösen. Unter den Hassgeräuschen liegt es noch vor Tippen, Nägelkauen oder Beinwippen – nur Essgeräusche wie zum Beispiel das Schmatzen sind für die meisten noch schwerer zu ertragen. Das kann richtige Aggressionen fördern. Besonders schlimm ist das für Menschen, die unter Misophonie, dem Hass auf Geräusche, leiden – und das sind gar nicht mal so wenige. Rund 20 Prozent sollen davon betroffen sein. Solche Leute sind sehr perfektionistisch veranlagt, sie glauben, dass man das Willkürliche unterdrücken kann. Diese hohen Ansprüche, die sie vor allem an sich selbst stellen, projizieren sie dann gerne mal auf andere und verstehen nicht, warum ihr Gegenüber sich nicht einfach mal zusammenreißen kann.

Und was macht das mit den Hustenden selbst?

Husten nervt den Hustenden und seine Mitmenschen

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Leider kann eine Atemwegserkrankung sehr isolierend sein. Aus Scham, die anderen zu stören, meiden Betroffene Veranstaltungen wie Kino- oder Theaterbesuche. Ich habe auch schon von vielen handfesten Ehekrisen gehört – unterschwellige Konflikte wurden durch den hustenden Partner erst so richtig entfacht. Übrigens ist Husten nach Zahlen des deutschen Hausärzteverbands für 10 Prozent aller jährlichen Arztbesuche beim Allgemeinmediziner verantwortlich – damit liegt es auf Nummer eins und ist mit hohen Kosten für unser Gesundheitssystem verbunden. Rund ein Viertel der Überweisungen zu Fachärzten finden aufgrund chronischen Hustens statt – Ursache unbekannt. Vergleichbar ist das mit der Ursachenforschung bei unspezifischen Schmerzen, hier wurde die Relevanz bereits erkannt und es gibt dafür ganze Schmerzkliniken. So etwas bräuchten wir auch für Atemwegserkrankungen. England geht hier schon mit gutem Beispiel voran: Dort gibt es bereits seit mehreren Jahren entsprechende Hustenkliniken.

So bringt Sie Husten nicht in Verlegenheit: Ob auf dem Arbeitsweg, im Meeting, im Theater oder beim Abendessen – mit Husten möchte man niemanden stören und belasten. Hilfe zur Linderung gibt es zum Glück rezeptfrei in der Apotheke, ganz nach persönlichem Bedarf und Wunsch: Als Lutschpastille mit Sofortwirkung oder als Retardkapsel mit zeitversetzter Wirkstoffabgabe.