Mangel an Blutspenden:
Patientenblut-Management spart Transfusionen

Vor manchen Operationen sind Blutspenden von Eigenblut sinnvoll
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In den Kliniken wird das Blut knapp: Es fehlt an dringend benötigten Blutspenden. Die Einführung eines gezielten Patientenblut-Managements (Patient Blood Management, kurz PBM) verringert den Bedarf an Fremdblut bei Operationen. Im Interview erklärt Professor Kai Zacharowski vom Universitätsklinikum Frankfurt, wie das PBM funktioniert.

Herr Professor Zacharowski, Sie sind Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Frankfurt. In Ihrer Klinik wurde ein PBM-Projekt bereits 2009 begonnen. Warum gibt es zu wenig Blutspenden für die nötigen Transfusionen?

Der Mangel an Blutspenden hat mehrere Ursachen. Nummer eins: Wir haben eine stetig alternde Bevölkerung und die Medizin hat sich verändert, sodass wir viel häufiger auch älteren Menschen komplexe Therapien und Operationen ermöglichen können. Nummer zwei: Viele Krebserkrankungen können heute behandelt werden, sodass die Menschen lange überleben - allerdings brauchen auch sie dafür Blutprodukte. Das dritte Problem ist der in vielen Bereichen nicht korrekte Umgang mit Blut: Es wird zu früh zu viel gegeben.

Das Patient Blood Management (PBM) ist ein multimodales Konzept, um den Bedarf an Blutspenden für Fremdbluttransfusionen zu verringern. Durch welche Maßnahmen wird dieses Ziel verfolgt?

Traditionell sprechen wir beim PBM von drei Säulen. Die erste Säule bezieht sich zeitlich auf den präoperativen Bereich, das heißt der Patient ist noch nicht im Krankenhaus. Viele Menschen leiden schon im Vorfeld unter Blutarmut, sie betrifft etwa ein Viertel der Weltbevölkerung. Blutarmut kann man gut diagnostizieren. Wir wissen außerdem, dass sie in etwa 30 bis 40 Prozent der Fälle auf Eisenmangel beruht. Deswegen versuchen wir zunächst, den Mangel zu behandeln. Die zweite Säule bezieht sich auf den Bereich um die Operation herum. Hier wählen wir unter anderem blutsparende Operationstechniken und achten sehr genau auf die Blutgerinnung. Wenn es stärker blutet, sammeln wir dieses Blut, säubern es und geben es dem Patienten zurück. Blutabnahmen reduzieren wir insgesamt auf ein Minimum. Die dritte Säule: Wir transfundieren nach einem festgelegten Algorithmus. Da muss die Indikation, die Dosis und alles drumherum stimmen. All diese Maßnahmen zusammen sind das Patient Blood Management.

Wie sind bislang am Universitätsklinikum Frankfurt die Erfahrungen mit diesem Programm?

Das deutsche PBM-Programm kommt ja aus Frankfurt und ich selber arbeite schon seit den 90er Jahren daran. 2009 startete es dann hier an der Klinik. 2014 haben wir das deutsche Netzwerk gegründet und zusammen mit dem DRK Blutspenden-Dienst einen Vorstandsbeschluss erwirkt. Hintergrund für die Einführung war natürlich, die Patientensicherheit zu erhöhen und die Outcomes zu verbessern. Wir haben eine präoperative Anämieklinik eingeführt, das heißt wir bestellen die Patienten vorher bei uns ein, diagnostizieren gegebenenfalls eine Blutarmut und behandeln diese. Zudem arbeiten wir grundsätzlich bei der Blutprobenentnahme mit kleineren Röhrchen. Das PBM lohnt sich enorm: Im Jahr 2021 konnten wir hier am Klinikum im operativen Bereich die Anzahl an Transfusionen um 57 Prozent senken.

Warum ist ein präoperativer Eisenmangel gefährlich für den Patienten?

Wir haben mittlerweile zigtausende Patientendaten, die zeigen, dass präoperative Anämien das Risiko für Infektionen verdoppeln. Die Krankenhausaufenthalte anämischer Patienten sind in der Regel um 23 Prozent länger. Wir wissen auch, dass das Risiko für Nierenschäden enorm erhöht ist, ich glaube um den Faktor 3 oder 4. Das Risiko für Transfusionen ist verfünffacht und das Risiko zu versterben dreimal so hoch. All das zeigt die Gefährlichkeit einer präoperativen Anämie, wenn sie unbehandelt bleibt.

Welche therapeutischen Möglichkeiten gibt es für Risikopatienten mit Blutarmut vor dem Eingriff?

Zunächst muss man nach der Ursache schauen. In 30 bis 50 Prozent der Fälle liegt ein Eisenmangel vor. Einen bestätigten Mangel kann man dann auf zweierlei Weise therapieren. Wenn genügend Zeit bis zur OP ist, reicht die orale Nahrungsergänzung mit Tabletten oder flüssigen Darreichungsformen. Aber das geht natürlich nicht innerhalb von einer Woche. Etwa 3 Monate muss man schon rechnen, bis die Eisenspeicher wieder aufgefüllt sind – das geht also nur bei länger vorausgeplanten Operationen. Bei dringenden Eingriffen würden wir eine intravenöse Eisentherapie durchführen.

Wie viele Krankenhäuser in Deutschland verfügen über ein PBM?

In Deutschland gibt es rund 2.000 Krankenhäuser. In unserem PBM-Netzwerk haben sich etwa 100 organisiert. Das sind leider viel zu wenige. Manche Krankenhäuser geben auch an, ein PBM zu haben, obwohl das nicht stimmt. Deshalb stellen wir Zertifikate aus. Patienten sollten darauf achten, ob das gewählte Krankenhaus ein PBM-Zertifikat hat. Dabei gibt es verschiedene Abstufungen, angefangen beim reinen PBM-Mitglied über die Bronze-Stufe, die belegt, dass erste Maßnahmen eingeführt wurden bis hin zu Silber, Gold, Platin und Diamant.