ADHS bei Frauen: Das unbekannte Leiden

ADHS ist bei Frau schwer zu diagnostizieren

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Auch Frauen leiden unter der Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS). ADHS bei Frauen bleibt jedoch oft unerkannt, weil die Symptome untypisch sind.

Dass ADHS bei Frauen ein Problem sein könnte, wissen viele Menschen nicht. Wer von ADHS hört, denkt meist an hippelige, überaktive Jungs, die allen auf die Nerven gehen und ihre Impulsivität nur schlecht kontrollieren können. Bei Mädchen wird ADHS häufig übersehen, denn ihr Verhalten ist ganz anders als das der Jungen: Sie sind eher ruhig und verträumt.

Was sich in der Kinder- und Jugendzeit unbemerkt entwickelt, kann im Erwachsenenalter zu erheblichen seelischen Problemen führen. So führt ADHS bei Frauen vielfach zu einer noch längeren Leidensgeschichte als bei den Männern. Denn die Symptome ihrer Krankheit verstecken sich.

Die Pubertät geht vorbei, ADHS bleibt

ADHS verschwindet nicht einfach nach der Pubertät. Etwa zwei Drittel der ADHS-Kinder nehmen ihre Symptome mit in das Erwachsenenleben. Eine der erfahrensten ADHS-Expertinnen ist die Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. med. Jana Engel. Sie sagt: „Während Jungs auffallen, wird bei Mädchen die Erkrankung nur selten richtig diagnostiziert und therapiert. Denn Mädchen zeigen andere Symptome, sind eher ruhig, zurückgezogen, unaufmerksam-verträumt, nur selten aufdringlich und unbeherrscht.“

Im Erwachsenenalter zeigen sich die Folgen oft umso heftiger. Einer aktuellen Studie zu Folge leiden Frauen mit ADHS häufiger an Depressionen, Angsterkrankungen und bipolaren Störungen, sie haben ein höheres Risiko für Alkohol- oder Cannabis-Missbrauch und werden öfter übergewichtig.

Mit Beruf und Familie überfordert

ADHS bei Frauen tritt oft erst spät deutlich zu Tage. Als Ursache gelten die mit den Lebensjahren steigenden Anforderungen. Wenn nach der Schule, in der Ausbildung und in den ersten Jahren der Eigenständigkeit noch alles gut gegangen ist, beginnen die Schwierigkeiten oft mit der ersten Wohnung, spätestens aber mit der Familiengründung. Wenn Frauen mit ADHS Familie und Beruf vereinbaren wollen, wenn sie Arbeit, Haushalt, Freizeit und Kindererziehung organisieren müssen, werden ihre Probleme offensichtlich.

Unter ADHS leidenden Frauen fällt es häufig schon schwer, nur sich selbst zu organisieren. Trotz bestem Willen schaffen sie es oft nicht, ihren selbst gestellten Anforderungen nachzukommen. Diese vorgebliche Unfähigkeit erfüllt sie immer stärker mit Versagensängsten. Erst wenn es gar nicht mehr geht, wird der Weg zum Arzt eingeschlagen.

ADHS bei Frauen ist schwer zu diagnostizieren

Der jedoch tut sich mit der richtigen Diagnose häufig schwer. Denn ADHS verschleiert sich, umgibt sich mit Begleiterkrankungen und führt so leicht in die Irre. „In meine und in die Praxen von Kollegen kommen viele Patientinnen mit depressiven Symptomen, mit Angststörungen, diagnostizierter bipolarer Störung oder Borderline-Symptomatik. Darunter liegt vielfach jedoch eine ADHS-Erkrankung, die sich verkleidet“, so Dr. Engel.

Die richtige Diagnose ist in diesen Fällen entscheidend, denn ADHS lässt sich durch eine medikamentöse Behandlung (zum Beispiel mit dem Wirkstoff Methylphenidat) mit begleitender Psychotherapie vielfach erfolgversprechend therapieren. Schlägt diese Kombinationstherapie an, können bisher verordnete Antidepressiva häufig reduziert oder sogar abgesetzt werden. Auch die Begleiterkrankungen gehen vielfach zurück, die Gefühlswelt der Patientinnen kann sich stabilisieren.