Behindertes Geschwisterkind

Wenn Kinder im Schatten stehen: Über zwei Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland haben ein schwer krankes oder behindertes Geschwisterkind. Für sie selbst bleibt dadurch oft wenig Zeit und Raum.

Ein behindertes Kind mit gesunder Schwester schnuppern an Blumen.

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Wenn ein Kind chronisch schwer erkrankt, ist das eine sehr bedrückende Situation für die ganze Familie. Ein behindertes Geschwisterkind zu haben, bedeutet auch für die gesunden Kinder eine Belastung – denn sie stehen damit automatisch im Schatten der Aufmerksamkeit. Das kranke Kind benötigt einfach enorm viel Zuwendung und Unterstützung: Die Eltern möchten helfen und tun das ihnen Mögliche, um die Situation zu erleichtern. Die Betreuung und Fürsorge für das kranke Kind fordert aber so viel Zeit und Kraft, dass sie häufig an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit kommen.

Neben der Bewältigung des Alltags bleibt dann kaum noch Raum und Energie für die anderen Familienmitglieder. Geschwisterkinder geraten ungewollt leicht ins Abseits. Sie sind ja gesund. Von ihnen wird erwartet, dass sie auch ohne zusätzlichen Aufwand „funktionieren“. Sie kommen häufig zu kurz und müssen ständig Rücksicht nehmen. Weil sie sehen, wie überlastet die Eltern sind, stecken sie zurück. „Ich versuche, keine Extra-Schwierigkeiten zu machen“, bringt es ein 13-jähriges Mädchen auf den Punkt.

Rücksichtnahme auf ein behindertes Geschwisterkind kann krank machen

Nicht alle Geschwisterkinder kommen mit dieser Situation auf Dauer klar. Studien zufolge zeigen zwar 70 Prozent aller Geschwister von chronisch erkrankten Kindern so gut wie keine besonderen Bedürfnisse. Sie sind gesunde Kids, die ihr Leben in die Hand nehmen und aufgrund der besonderen Situation etwas anders gestalten. Rund 20 Prozent weisen jedoch einen erhöhten Bedarf an Unterstützung auf. Ihnen kann mit verschiedenen Angeboten und Informationsmaterial beigestanden werden.

Ungefähr zehn Prozent benötigen allerdings therapeutische Hilfe. „Geschwisterkinder haben ein erhöhtes Risiko für Verhaltensauffälligkeiten und psychische Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen“, weiß Claudia Heins vom Vorstand der Stiftung Familienbande. „Ganz wichtig ist aber: Sie entwickeln besondere Stärken. Sie können zuhören, auch einmal zurückstecken und Verantwortung übernehmen, um nur drei Beispiele zu nennen.“

Mehr Aufmerksamkeit für die gesunden Geschwister

In der Stiftung Familienbande engagiert sich Claudia Heins auch aufgrund eigener Erfahrungen: „Eine meiner Schwestern ist behindert. Ich kann mich gut erinnern, welchen Kraftakt es für meine Eltern bedeutet hat, allen Kindern gerecht zu werden.“ Infolge der Belastungen ist ein weiteres Geschwisterkind psychisch erkrankt. Damals gab es kaum Hilfsangebote, erinnert sich Claudia Heins und betont, wie wichtig es sei, auch die besonderen Bedürfnisse der Geschwisterkinder wahrzunehmen und mit ihnen über die Situation zu reden. Das gilt nicht nur für Eltern, sondern auch für Lehrer und Ärzte.

Inzwischen gibt es immer mehr Hilfsangebote, sowohl für Kinder als auch für Eltern. Das können Freizeitangebote oder Geschwisterseminare mit intensiven Gesprächen sein, aber auch Angebote mit erlebnispädagogischem Hintergrund wie zum Beispiel die Geschwister-Olympiade. Sie wird für Kinder mit Down-Syndrom und vor allem ihre Geschwister beim Deutschen Down-Sportlerfestival organisiert, damit auch die Geschwister einmal im Mittelpunkt stehen.