Unterschätztes Risiko Blutvergiftung
Jährlich erleiden etwa 150.000 Menschen eine Blutvergiftung – Mediziner sprechen von Sepsis. Sie wird häufig zu spät erkannt und behandelt.
Jede Blutvergiftung beginnt mit einer Infektion durch Bakterien, Viren oder Pilze. Die Erreger können durch eine Verletzung in den Körper gelangen, aber auch durch Entzündungen zum Beispiel der Blase, der Lunge, einen eiternden Zahn oder auch bei einem medizinischen Eingriff. Wenn es den Abwehrkräften des Körpers nicht gelingt, die Eindringlinge in einem begrenzten Areal des Körpers in Schach zu halten, dann gelangen sie über den Blutkreislauf in den ganzen Körper und breiten sich dort aus. Bei einer solchen Blutvergiftung oder Sepsis bedrohen die Krankheitskeime mit ihren Giftstoffen lebenswichtige Organe.
Wer ist besonders gefährdet?
Das körpereigene Abwehrsystem gerät zunehmend außer Rand und Band. Es aktiviert immer mehr Abwehrzellen, die massenweise Botenstoffe ausschütten. Diese greifen jedoch nicht nur die Krankheitskeime im Blut an, sondern schädigen auch die Gefäßwände und durchlöchern sie. Dadurch sickert viel Blutplasma aus den Blutgefäßen ins Gewebe ein, und der Blutdruck sackt ab. Außerdem droht die Masse derAbwehrzellen kleine, feine Blutgefäße zu verstopfen. Auch die Blutgerinnung gerät aus der Kontrolle. Wenn die Organe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden, kommt es zum septischen Schock: Der Kreislauf bricht zusammen, und ein lebenswichtiges Organ nach dem anderen fällt aus, bis schließlich der Tod eintritt.
Natürlich nimmt nicht jede Infektion einen so dramatischen Verlauf. Das Bedrohliche an der Blutvergiftung ist auch weniger die Infektion selbst. Ein gesunder Organismus würde mit den Keimen fertig. Doch häufig trifft sie Menschen im höheren Alter oder mit einer chronischen Erkrankung wie Diabetes, Krebs oder AIDS, deren Abwehrsystem bereits so geschwächt ist, dass es der Infektion nicht mehr Herr wird. Das kann auch bei frisch Operierten der Fall sein. Säuglinge haben ebenfalls ein höheres Risiko, weil ihre Immunabwehr noch nicht voll ausgebildet ist.
Schwierige Diagnose
Das Problem ist, dass die Symptome der Blutvergiftung einer Erkältung oder Grippe ähneln und deshalb leicht unterschätzt werden: Durch hohes Fieber versucht der Körper die Krankheitserreger zu bekämpfen. Die Atmung geht schneller, Blutdruck und Ruhepuls sacken etwas ab. Kranke fühlen sich oft benommen, leiden unter ausgeprägten Kreislaufproblemen und fallen in einen unruhigen Schlaf. Treten solche Symptome innerhalb kurzer Zeit auf, sollte möglichst schnell ein Arzt konsultiert werden. Denn die Übergänge von einer Infektion zu einer Sepsis sind fließend. Eine Blutvergiftung ist lebensbedrohlich, und mit jeder Stunde verschlechtern sich die Überlebenschancen. Deshalb muss sie so früh wie möglich in der Klinik behandelt werden. Mediziner unterscheiden verschiedene Schweregrade: eine leichte Sepsis mit guten Überlebenschanen, eine schwere Sepsis, bei der bereits Organe befallen sind, und schließlich den septischen Schock mit Kreislaufzusammenbruch und Organversagen.
Umfassende Behandlung
Das wichtigste Ziel der Behandlung ist die Stabilisierung des Kreislaufs, damit alle wichtigen Organe weiterhin mit ausreichend Blut und Sauerstoff versorgt werden. Dazu erhält der Patient viel Flüssigkeit und Kreislauf stärkende Medikamente sowie Sauerstoff. Außerdem wird ein Breitband-Antibiotikum per Infusion verabreicht, das die häufigsten Erreger abtöten kann. Durch verschiedene Untersuchungen versuchen die Ärzte, so schnell wie möglich den eigentlichen Entzündungsherd zu finden, damit nicht ständig neue Krankheitserreger in die Blutbahn eindringen. Sobald der Infektionsherd bekannt ist, wird er saniert. Oft benötigen Patienten auch eine Bluttransfusion und müssen künstlich ernährt werden.
Wer an einer infizierten Wunde, an einem eitrigen Zahn oder einer Infektion wie zum Beispiel Lungen- oder Blasenentzündung leidet, sollte damit zum Arzt gehen. Das gilt insbesondere für Risikopatienten mit einem geschwächten Immunsystem wie Diabetiker oder ältere Menschen. Auch die Überprüfung des Impfschutzes (Tetanus!) sowie eine Impfung gegen Lungenentzündung ist für Menschen mit erhöhtem Risiko zu empfehlen.