Ist meine Vergesslichkeit noch normal?
Jeder von uns vergisst mal etwas, das ist normal. Mit zunehmendem Alter häufen sich allerdings die Gedächtnislücken. Wenn sie dann öfter Namen oder Termine vergessen, fragen sich viele Menschen: Ist meine Vergesslichkeit noch normal? Im Zweifel mit dem Arztbesuch nicht warten, rät Professor Oliver Peters von der Charité.
Professor Oliver Peters ist leitender Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Als Leiter der dortigen Gedächtnissprechstunde behandelt Professor Peters regelmäßig Patienten, bei denen die Gedächtnisleistung in auffälliger Weise nachgelassen hat. Im Interview erklärt er, wo die Demenz beginnt - und was Menschen tun können, die sich fragen: "Ist meine Vergesslichkeit noch normal?"
Herr Professor Peters, wie unterscheidet sich eine beginnende Demenz von der normalen Alters-Vergesslichkeit?
Eine Demenz zeichnet sich dadurch aus, dass die Betroffenen aufgrund fehlender geistiger Fähigkeiten im Alltag schlechter zurechtkommen. Konkret bedeutet das, dass sie auch bei alltäglichen Verrichtungen Hilfe brauchen - wie etwa dem Umgang mit Geld. Bei der normalen Vergesslichkeit im Alter ist das nicht notwendig, und der Alltag wird selbstständig gemeistert. Schwieriger ist es, das Frühstadium der Demenz - das sich durch leichte kognitive Störungen bemerkbar macht - von normaler Alters-Vergesslichkeit zu unterscheiden. Hier kann in der Regel eine Gedächtnissprechstunde Klarheit verschaffen. Teil dieser Gedächtnissprechstunde ist neben einem ausführlichen Anamnesegespräch auch eine orientierende neuropsychologische Testung.
Viele ältere Menschen fragen sich: "Ist meine Vergesslichkeit noch normal?" Ab welchem Grad der Gedächtnisstörung sollte ein Arzt konsultiert werden?
Die Vorstellung in einer Gedächtnissprechstunde sollte erfolgen, wenn Gedächtnisprobleme über die Dauer von mehreren Monaten hinweg anhalten. Gedächtnisprobleme können sich dabei auf verschiedene Weise äußern: Beispielsweise dadurch, dass es häufiger vorkommt, dass Betroffene sich nach einem Telefonat nicht mehr erinnern können, was besprochen wurde. Oder dadurch, dass ihnen regelmäßig Namen von gut bekannten Personen nicht mehr einfallen. Auch wenn Orientierungsprobleme bemerkt werden - selbst in bekannter Umgebung -, ist das ein Warnsignal.
Warum lohnt es sich, bei zunehmender Vergesslichkeit oder abnehmender geistiger Fitness sofort aktiv zu werden?
Weil andernfalls sogenanntes therapeutisches Potenzial verschenkt wird. Wie beim Schlaganfall gilt: „time is brain" - also „Zeit ist Gehirn". Konkret bedeutet das: Je früher man interveniert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für eine wirksame Therapie. Viele Ursachen von Demenz sind zwar nicht heilbar, aber sehr wohl behandelbar. Der Krankheitsverlauf kann also positiv beeinflusst werden. In fast jedem Fall besteht die Möglichkeit, durch einzelne Maßnahmen eine Stabilisierung oder sogar eine Verbesserung zu erreichen. Für die Betroffenen und ihre Angehörigen macht diese Aussicht einen großen Unterschied.
Wie entsteht eine Demenz?
Es gibt viele Ursachen von Demenz. Die häufigste ist die Alzheimerkrankheit. Alzheimer ist ein über viele Jahre andauernder Prozess, der am Ende einen über das Altersmaß hinausgehenden Verlust von Nervenzellen im Gehirn verursacht. Durch den Verlust von Nervenzellen kann das Gehirn dann nicht mehr alle Funktionen wie gewohnt ausüben. Eine Demenz kann auch durch eine plötzlich auftretende Ursache wie zum Beispiel einen Schlaganfall oder ein Trauma verursacht werden. Das ist aber deutlich seltener der Fall.
Mit welchen Maßnahmen kann man einer Demenz vorbeugen?
Insbesondere durch all die Faktoren, die auch generell körperlicher Gesundheit zuträglich sind, wie beispielsweise eine gesunde, ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf und körperliche Bewegung. Darüber hinaus sind soziale Kontakte und geistige Aktivität wichtig. Eine im Laufe des Lebens erworbene hohe Bildung kann ebenfalls vor Demenz schützen.