Einspruch beim Pflegegrad: Worauf Betroffene achten sollten
Wer den Antrag auf einen Pflegegrad gestellt hat, wartet ungeduldig auf den Bescheid. Trudelt dann der Brief vom medizinischen Dienst ein, sind viele pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen enttäuscht: Es wurde ein unerwartet niedriger Bedarf oder gar kein Anspruch gewährt. In diesem Fall können Betroffene Einspruch beim Pflegegrad erheben.
Stellt das Gutachten des Medizinischen Dienstes nur einen geringen oder gar keinen Pflegegrad fest, bedeutet das weniger finanzielle Unterstützung und somit eine erhebliche Mehrbelastung für pflegende Angehörige. „Es kommt regelmäßig vor, dass die Beurteilung der Experten nicht mit dem eigenen Eindruck übereinstimmt“, sagt Markus Küffel, Gesundheitswissenschaftler und examinierte Pflegefachkraft. Doch die Entscheidung muss nicht endgültig sein – denn Betroffene können ihr Recht auf Einspruch beim Pflegegrad nutzen.
Bescheide können fehlerhaft sein
Um den Grad der Pflegebedürftigkeit zu bestimmen, kommt ein Gutachter zu den Menschen nach Hause. Dort verschafft er sich einen Überblick über ihren Alltag und darüber, wo sie Unterstützung benötigen. Dennoch wird der Pflegebedarf gelegentlich falsch eingeschätzt. Nach den Erfahrungen von Markus Küffel ist manch ausgestellter Bescheid tatsächlich fehlerhaft. Es passiere durchaus, dass Diagnosen oder Befunde vergessen und Hilfebedarfe nicht erfasst wurden. Öfters wird auch die Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen zu hoch eingeschätzt. In diesen Fällen hat ein Einspruch beim Pflegegrad gute Erfolgsaussichten.
Es kommt zudem vor, dass sich Pflegebedürftige am Tag der Begutachtung ungewöhnlich fit fühlen, sich entsprechend verhalten und so ihre eigentliche Hilfebedürftigkeit nicht deutlich machen. „Auch in solchen Fällen ist der Einspruch gegen den ermittelten Pflegegrad angebracht“, ergänzt der Pflegeexperte.
Wie erhebe ich Einspruch beim Pflegegrad?
Betroffene sowie Angehörige stellt der unzureichende Bewilligungsbescheid vor die Frage, wie sie nun weiter vorgehen. Nach Eingang des Briefes besteht für sie eine Frist von einem Monat. Innerhalb dieser Zeitspanne müssen sie ein formloses Schreiben mit dem Wunsch auf Einspruch verfassen und an die Pflegekasse zurückschicken. Markus Küffel betont: „Wer zu diesem Zeitpunkt noch kein ausführliches Gutachten der Bedarfssituation erhalten hat, sollte dieses direkt mit anfordern. Damit lässt sich später besser verdeutlichen, wo Fehler bei der Beurteilung liegen.“
Eine genaue Begründung, warum mehr Pflegeleistung erforderlich ist, darf auch noch nach der oben genannten Frist erfolgen. Für eine stichhaltige Argumentation bietet es sich grundsätzlich an, ein Pflegetagebuch zu führen. Damit lässt sich die eigene Einschätzung besser belegen.
Einen zweiten Besuch meistern
Für die Prüfung des Einspruchs sind die Pflegekassen zuständig. Sie entscheiden entweder anhand der eingereichten Unterlagen oder – und das ist weitaus häufiger der Fall – anhand eines neuen Gutachtens. „Auf diesen zweiten Besuch sollten sich sowohl Betroffene als auch Angehörige gut vorbereiten. Spätestens jetzt müssen alle wichtigen Unterlagen zur Hand sein“, so Küffel.
„Damit sich dieses Mal ein realistisches Bild der Pflegesituation ergibt, sollten sich Betroffene zudem möglichst authentisch und ihrer Hilfsbedürftigkeit entsprechend verhalten,“ empfiehlt Markus Küffel. Wird dem Widerspruch schließlich stattgegeben, senden die Pflegekassen einen entsprechenden Bewilligungsbescheid. Dort sind alle Pflegeleistungen nach dem neu ermittelten Pflegegrad aufgeführt. Glückt der Einspruch nicht, besteht noch die Möglichkeit, vor dem Sozialgericht zu klagen.