Depression – oder nur eine Seelenkrise?

Eine junge Frau mit Depression lehnt den Kopf an eine regennasse Glasscheibe

© JenkoAtaman - Fotolia.com

Niedergeschlagen, freudlos, antriebsarm: Ist das schon eine Depression - oder nur eine vorübergehende Seelenkrise? In jedem Fall gilt: Handeln Sie rasch.

Frauen und Männer, Junge und Alte: Viele Menschen werden von seelischen Verstimmungen geplagt, die weit über die gewöhnliche „schlechte Laune“ hinausgehen und in eine Depression münden können. Wenn die Seele leidet, schwindet die Lust, etwas zu unternehmen - und auch das Interesse an den gewohnten Beschäftigungen lässt nach. Oft sind Betroffene niedergeschlagen und müde, charakteristisch sind außerdem Konzentrations- und Schlafstörungen. Häufig kommen körperliche Beschwerden wie beispielsweise Verdauungsstörungen oder Muskelschmerzen hinzu, manchmal stehen sie sogar im Vordergrund.

Frühzeitig gegensteuern

Typisch für depressive Verstimmungen ist, dass nach einer vorübergehenden Phase der Niedergeschlagenheit das positive Lebensgefühl zurückkehrt. Bei einer echten Depression geraten die Betroffenen dagegen in ein anhaltendes, sich allmählich verstärkendes Stimmungstief, aus dem sie ohne medizinische Hilfe nicht mehr herausfinden.

Trotzdem sollten auch leichtere depressive Verstimmungen immer ernst genommen werden. Denn ohne frühzeitige Gegenmaßnahmen können sie in eine echte Depression übergehen. Wenn die Seele SOS funkt, empfiehlt es sich daher dringend, einen Arzt aufzusuchen. Erste Anlaufstelle ist die Hausarztpraxis. Sie kann ihre Patienten gegebenenfalls an Spezialisten für psychische Erkrankungen überweisen. Die Fachärztin oder der Facharzt wird – abhängig von Diagnose und Ausmaß der Erkrankung – eine maßgeschneiderte Therapie vorschlagen. Dazu gehören neben Medikamenten (Antidepressiva) und einer Psychotherapie auch die sogenannten digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA).

Pflanzen für die Seele

Einen hohen Stellenwert bei der Behandlung leichter seelischer Verstimmungen haben pflanzliche Medikamente - allen voran Präparate, die Johanniskraut in ausreichend hoher Dosierung enthalten. In pflanzlichen Fertigarzneimitteln gegen depressive Verstimmungen wird Johanniskraut mitunter auch mit anderen Heilpflanzen kombiniert. Zum Beispiel mit Passionsblume, die eine angstlindernde und entspannende Wirkung hat, oder mit Baldrian, der über beruhigende Eigenschaften verfügt. Zur sanften Linderung nervöser Unruhezustände kommen auch Hopfen und Melisse zum Einsatz, während Lavendelöl-Präparate insbesondere Angstzustände und damit verbundene innere Unruhe lindern können. Wer eine depressive Verstimmung mit Pflanzenkraft behandeln möchte, sollte sich vom Arzt oder einer Apothekerin beraten lassen.

Um eine Seelenkrise zu überwinden, haben sich therapiebegleitend darüber hinaus Entspannungsverfahren und sportliche Aktivitäten bewährt. Um die Lebensqualität wieder zu steigern, kann außerdem eine Selbstreflexion nützlich sein: Etwa, indem man überlegt, was einen eigentlich belastet und wie sich das vielleicht ändern ließe. Dazu gehört auch, die eigenen Erwartungen zu hinterfragen und sich von der Illusion einer stets leichten und unbeschwerten Existenz zu verabschieden. Schlechte Tage gehören einfach zu unserem Leben.

Digitale Gesundheitsanwendungen können die Behandlung einer Depression unterstützen

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) können Ärzt:innen im Versorgungsalltag entlasten und Patient:innen aktiv in die Behandlung einbeziehen. Gerade für Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen wie etwa Depressionen können internetbasierte Interventionen eine ergänzende Komponente bei der multimodalen, leitliniengerechten Therapie darstellen. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass es im Bereich der psychischen Gesundheit weiterhin Versorgungsprobleme gibt. Hier kann das e-Health-Konzept ein sinnvoller Lösungsansatz sein. DiGA mit nachgewiesener Wirksamkeit bieten Ärzt:innen neue Perspektiven für eine individualisierte und bedürfnisorientierte Behandlung von Menschen mit einer Depression, die sogar noch über eine Verkürzung der teilweise monatelangen Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz hinausgehen. Das Potenzial dieser innovativen Therapieform wird bisher aber nicht ausgeschöpft. Wie sich in einer Erhebung der Techniker Krankenkasse herausstellte, erhält in Deutschland bisher nur ein sehr geringer Anteil der depressiven Patient:innen eine DiGA.[1]

Dabei könnte die Nutzung von DiGA – entweder in ein Gesamtbehandlungskonzept eingebunden oder auch zur Überbrückung von Wartezeiten – neue Perspektiven eröffnen. Das therapeutische Potenzial digitaler Anwendungen zur Behandlung von Depressionen wird auch von der aktuellen S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) „Unipolare Depression“ hervorgehoben.[2] Zum ersten Mal empfiehlt die Leitlinie den Einsatz internet- und mobilbasierter Interventionen als eine mögliche Alternative zur konventionellen Psychotherapie und damit als eine wesentliche Säule neben der Behandlung mit Antidepressiva.

 

Lesetipp

Katty Salié, Das andere Gesicht. Depressionen im Rampenlicht. Kiepenheuer & Witsch 2023

"'Wir sind wieder mehr, wir sind jetzt schon zwei', sagte Torsten Sträter zu Kurt Krömer, als der sich in seiner Sendung zu Depressionen bekannte. Am Tabu der Krankheit wird gekratzt. Und doch trauen sich noch immer viele Menschen nicht, offen darüber zu sprechen. In diesem persönlichen Buch beschreibt Katty Salié ihre Krankheit und spricht mit vielen prominenten Menschen über deren Erfahrungen. So entsteht ein Kompendium von Lebensgeschichten, die durch die Krankheit verbunden sind. Mit Torsten Sträter, Till Räther, Gesine Schwan, Atze Schröder, Sophie Passmann, Zoë Beck, Ronja von Rönne und vielen anderen." (Zitat Klappentext)

 

[1] Techniker Krankenkasse, DiGA-Report 2022

[2] S3-Leitlinie/NVL Unipolare Depression 2022