Iris Berben: Eine Frau mit Haltung

Iris Berben spielt Dorothea König im Film Der Nachname
Iris Berben als Dorothea König in DER NACHNAME © Constantin Film Verleih/Jürgen Olczyk

Zwei Kinostarts in sieben Tagen: Iris Berben hat im Oktober 2022 einen Lauf. Erst „Triangle of Sadness“, der in Cannes die Goldene Palme gewann, dann „Der Nachname“ von Regisseur Sönke Wortmann. Fast alle Interviews zu diesen Premieren nutzte die Schauspielerin, um ihre Herzensthemen Toleranz und Demokratie anzusprechen.

Egal ob sie nur einen Satz sagt oder die Hauptrolle spielt - Iris Berben gibt als Darstellerin immer alles. In „Triangle of Sadness“, einer bitterbösen Satire über Luxus und Reichtum, sitzt sie als Schlaganfallpatientin im Rollstuhl und spricht einen einzigen Satz. Der aber wurde vom schwedischen Regisseur Ruben Östlund in vielen Varianten geprobt. Seine Präzision beim Dreh gefalle ihr sehr, sagte Berben im NDR. Wie die 72-Jährige ohnehin gerne mit Profis zusammenarbeitet – auf allen Bühnen: Fernseh- und Kinofilme sind ihr Hauptmetier, aber sie ist auch als Synchron- und Hörbuchsprecherin aktiv.

Iris Berben überzeugt sowohl in ernsten als auch in humorvollen Rollen, kann bedrückte oder schelmische Menschen darstellen, meistert knochentrockene Dialoge ebenso wie witziges Wortgeplänkel. Seit mehr als 50 Jahren wird die Künstlerin engagiert, in über 300 TV- und Kinofilmen verkörperte sie die unterschiedlichsten Charaktere. So ermittelte sie als Kommissarin Rosa Roth in 31 Krimifällen, bei Thomas Manns „Buddenbrooks“ gibt sie die Konsulin und in Dörte Hansens „Altes Land“ die eigenwillige Vera. Und im ARD-Late-Night-Talk „Inas Nacht“ übernahm sie das Mikro und sang den James-Brown-Song „This is a man’s world“ – mit frauenfreundlichem Schluss.

Großmutter mit Kinderwunsch

Iris Berben passt in keine Schublade – und sie versteckt ihr Alter nicht. Pünktlich zum 70. Geburtstag drehte sie „Mein Altweibersommer“, brach in der Hauptrolle aus ihrem geordneten Leben aus und trat in einem Wanderzirkus an der polnischen Ostseeküste als Bärin auf. Und jetzt mit 72 spielt sie in „Der Nachname“ die Großmutter, die ihren Adoptivsohn geheiratet hat - und mit ihm Kinder haben will.

Für ihre schauspielerische Leistung sammelte Iris Berben seit ihrer ersten Goldenen Kamera 1987 so unterschiedliche Auszeichnungen wie "Bambi" und Grimme Preis, den Karl-Valentin-Orden und 2020 für ihr Lebenswerk das Goldene Auge des Zurich Film Festival. Ihre Dankesrede nutzte sie ganz typisch für einen Appell: „Kultur darf niemals weggespart werden.“ Immer hat die Schauspielerin mehr als die eigene Karriere im Blick. Deshalb passt es zu ihr, dass sie neun Jahre Präsidentin der Deutschen Filmakademie war, die das Ansehen des deutschen Films fördern will.

Iris Berben spricht, schreibt und singt

Die Berben lieh ihre deutsche Stimme unter anderem Diane Keaton, Whoopi Goldberg und Julia Roberts. Und sie begibt sich auf Lese-Reise – mit Märchen vom Däumelinchen bis zu Frau Holle, mit Hermann Hesses Sinnsuche in „Siddhartha“ und mit Liebesgedichten von Rainer Maria Rilke. In ihrer Kreativität lässt sich Iris Berben nicht auf ein Fach beschränken. Schon 2001 veröffentlichte sie das Buch „Älter werde ich später“. Und mit der CD „Iris Berben trifft Giuseppe Verdi“ leistete sie sich einen Ausflug in die Musik.

Hineingeboren in eine Detmolder Gastronomen-Familie zog Iris Renate Dorothea Berben als Vierjährige mit ihrer Mutter nach Hamburg, trat zuerst in Kurzfilmen der Hamburger Kunsthochschule auf, wechselte dann nach München, wo sie ihre Kinokarriere begann. Heute wohnt Iris Berben mit ihrem Lebensgefährten, dem Stuntman und Unternehmer Heiko Kiesow, in Berlin und in Portugal, wo sie Hühner, Schafe und Zitronenbäumchen hegt und pflegt.

Kämpferin gegen Rassismus und Antisemitismus

Iris Berben mischt mit, nicht nur in der Film- und Fernsehbranche, sondern auch politisch und sozial. Aktuell kämpft sie um die Existenz der Kultur, die durch Corona-Beschränkungen heruntergefahren wurde und jetzt neuen Schwung benötigt. Vor allem der ohnehin schon gefährdeten Kinolandschaft gilt ihre Sorge. Gesellschaftlich wiederum warnte sie etwa in der Neuen Osnabrücker Zeitung vor „Menschenfängern, die Verunsicherung, Angst und Unwissen für sich nutzen“. Für Berben gibt es keine einfachen Antworten. „Die Welt ist so komplex, dass wir es nur miteinander schaffen können, nicht gegeneinander“, betont sie im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine – und steht auf gegen jede demokratiefeindliche Stimmungsmache.

Schon als junge Frau ging die Künstlerin gegen Ungerechtigkeiten auf die Straße. Zehn Jahre war sie Kuratoriumsmitglied der Deutschen Aids-Stiftung. Bis heute formuliert Iris Berben ihre klare Haltung gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. So ruft sie als Botschafterin für den "Raum der Namen" im Berliner Holocaust-Denkmal zu Spenden auf, damit „das einzelne Schicksal hinter den Opfern des Holocaust nicht vergessen“ wird. Den Verein „Gesicht zeigen!“, der bundesweit für ein weltoffenes Deutschland eintritt, unterstützt sie schon seit der Gründung im Jahr 2000. „Ich werde nicht nachlassen, für ein demokratisches Verständnis, für ein tolerantes und respektvolles Miteinander einzutreten“, betont Berben. Für ihr Engagement erhielt sie den Landesverdienstorden Nordrhein-Westfalen, das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, den Leo-Baeck-Preis des Zentralrates der Juden in Deutschland sowie den Preis für Verständigung und Toleranz des Jüdischen Museums Berlin.