Aktiv das Gedächtnis stärken
Im Alter lässt das Gedächtnis langsam nach – das ist zwar ganz normal. Doch um übermäßige Einbußen der mentalen Leistung zu vermeiden, sollten Sie Warnsignale ernst nehmen. Die gute Nachricht lautet: Für die Gehirngesundheit und gegen Vergesslichkeit kann jeder etwas tun.
Wer öfter etwas vergisst, fragt sich natürlich: "Wird das schlimmer - und was könnte mein Gedächtnis stärken?" Sei es der Name der neuen Nachbarin oder wo man das Auto abgestellt hat - solche Sachen entfallen jedem Menschen mal. Vor allem, wenn die Nächte kurz und die Aufgabenlisten lang sind, schleicht sich Vergesslichkeit ein. Doch nicht nur das: Auch die Konzentrationsfähigkeit leidet unter einem hohen Stresspegel. Im Supermarkt vergisst man dann trotz Einkaufsliste eine wichtige Zutat. Oder man fragt sich auf dem Weg in den Keller plötzlich, was man dort eigentlich wollte.
Grund zur Beunruhigung sind solche kleinen Gedächtnislücken in der Regel nicht. Auch dass sie im Alter häufiger werden, ist durchaus normal. Fakt ist jedoch auch: Mentale Leistungseinbußen können einen ernsteren Hintergrund wie zum Beispiel eine beginnende Demenz haben. Viele Menschen fragen sich daher: Ab wann sind Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen nicht mehr normal - und was kann ich für mein Gedächtnis tun?
Das Gedächtnis braucht Training
Grundsätzlich gilt: Mit den Jahren lässt die geistige Leistungsfähigkeit langsam nach. Zum einen ist dafür der normale Alterungsprozess verantwortlich, durch den im Gehirn allmählich immer mehr Nervenzellen absterben und Synapsen verloren gehen. Zum anderen brauchen unsere grauen Zellen ähnlich wie die Muskeln ein regelmäßiges Training.
Ohne Übung gehen Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen verloren, etwa wenn wir eine früher erlernte Fähigkeit lange nicht abrufen; zum Beispiel nach Eintritt in den Ruhestand. Tatsächlich verliert schon ein gesundes Gehirn infolge des normalen Alterungsprozesses bis zum 80. Lebensjahr rund zehn Prozent an Volumen.
Zunehmende Vergesslichkeit ernst nehmen
Im Kontrast zum gesunden Alterungsprozess des Gehirns stehen kognitive Leistungseinbußen, die über das normale Maß hinausgehen oder eine krankhafte Ursache haben. Weil es für Betroffene und ihre Angehörigen häufig schwierig ist, den Unterschied zu erkennen, sollten sie sich mit Warnsignalen vertraut machen. Hält Vergesslichkeit beispielsweise über Wochen bis Monate hinweg an, ist das nicht mehr normal. "Vergesslichkeit im Alter kann sehr viele Ursachen haben, organische und nicht-organische", erklärt Prof. Dr. med. Inga Zerr von der Demenzambulanz der Universitätsmedizin Göttingen. "Damit eine gezielte Behandlung eingeleitet werden kann, muss eine Abklärung der Auslöser erfolgen. Ärztinnen und Ärzte entscheiden dann, ob mit Medikamenten oder anderen, nicht-medikamentösen Maßnahmen behandelt wird."
Um zu erkennen, ob eine Person lediglich ein paar schlechte Tage hat oder ob Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen der Dauerzustand sind, gilt für Angehörige deswegen: aufmerksam sein! Nur wer den Tatsachen ins Auge blickt, kann sich auch um Besserung bemühen. "Generell gilt: Vergesslichkeit, sei es die eigene oder die eines Angehörigen, sollte ernst genommen werden. Je früher eine Therapie begonnen wird, desto besser sind die Erfolgschancen", betont Inga Zerr.
So können Sie Ihr Gedächtnis stärken
Die gute Nachricht lautet: Sie sind dem Schicksal nicht hilflos ausgeliefert. "Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass sie für ihre Gehirngesundheit etwas tun können", sagt Inga Zerr: "Erholsamer Schlaf, körperliche Betätigung und gesunde Ernährung gehören beispielsweise dazu." Diese Faktoren seien nämlich nicht nur für die körperliche Fitness wichtig, sondern auch für Gehirn und Gedächtnis. "Auch mit sozialen Aktivitäten stimuliert man seine grauen Zellen und tut ihnen so etwas Gutes. Gleiches gilt für Gehirnjogging bzw. Aufgaben, bei denen man etwas Neues lernt. Es lohnt sich, aktiv zu sein und auch im Alter zu bleiben", so die Erfahrung der Neurologin.
Wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausfanden, ist unsere Gehirngesundheit nur zu rund 60 Prozent durch genetische Einflüsse vorbestimmt. Ganze 40 Prozent hat jeder Mensch dagegen selbst in der Hand. Besonders signifikant kann man durch einen Ausgleich von Schwerhörigkeit das Gedächtnis stärken und das Risiko kognitiver Leistungseinbußen senken. Die Erklärung hierzu ist einfach: Wird Schwerhörigkeit mithilfe eines Hörgeräts kompensiert, kann das Gehirn Kapazitäten, die vorher vermehrt auf das angestrengte Hinhören verwendet wurden, wieder an anderer Stelle nutzen. Als positiver Nebeneffekt fällt es Betroffenen, die wieder gut hören, leichter, soziale Kontakte zu pflegen.
Was können Sie noch tun?
Wissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich auch die Einnahme bestimmter pflanzlicher Mittel positiv auf die Gedächtnisfunktion auswirken kann. So zeigte eine groß angelegte, aktuelle Datenbankanalyse, dass eine Therapie mit Ginkgo für ältere Menschen die Progression zu einer Demenz verzögern könnte, wenn bei ihnen bereits leichte Einschränkungen der Hirnleistung bestehen.
In die Analyse eingeschlossen waren mehr als 24.000 anonymisierte Krankenakten von Frauen und Männern aus Deutschland im Alter von über 65 Jahren. Alle litten laut ärztlicher Einschätzung an leichten kognitiven Leistungseinbußen. Das Ergebnis der retrospektiven Analyse: Hatten die Patient*innen in der Vergangenheit bereits öfter als zweimal ein Ginkgo-Präparat ärztlich verordnet bekommen, war das im Vergleich zu Patient*innen ohne Ginkgo-Verordnung mit einer auf 71 Prozent reduzierten Demenzinzidenz verbunden. Das Risiko wurde somit um 29 Prozent reduziert.