Warum Frauen seltener Fahrrad fahren

Frauen fahren seltener Fahrrad, und kennen Sie die Gründe?
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Vor allem in den Bereichen Reisen, Freizeit und Sport nutzen Frauen das Fahrrad deutlich weniger als Männer. Was ist der Grund, dass Frauen seltener Fahrrad fahren? Und was muss passieren, damit mehr Frauen und Mädchen das umweltfreundliche Verkehrsmittel nutzen?

Als sich Julia Wiegand 2022 per Fahrrad allein auf den Weg von Köln nach Nordnorwegen machte, gab es einige Stimmen in ihrem Umfeld, die Bedenken äußerten. „Meist waren es Männer“, lacht Wiegand. „So eine Reise wird Frauen nicht zugetraut. Aber das spiegelt mehr die Ängste der anderen Personen wider“, findet die Radverkehrsexpertin im Referat Nahmobilität im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie und Verkehr. „Wenn Frau das machen will, kann sie das. Wir müssen mehr Frauen ermutigen, selbstständig etwas zu tun.“

Dass Frauen seltener Fahrrad fahren, zeichnet sich oft schon früh im Leben ab. Spätestens mit Einsetzen der Pubertät sei bei Mädchen ein Desinteresse am Radsport und Radfahren zu beobachten, so Julia Wiegand. „Die aktive Mobilität darf auf dem Weg zum Erwachsenwerden nicht verlernt werden. Das ist eine wichtige Stellschraube“, betonte sie bei einem Pressegespräch des Pressedienst Fahrrad pd-f. Eine Möglichkeit, mehr Mädchen zum Radfahren zu motivieren, könnten schulische Initiativen wie Mountainbike-Klassen bieten. Doch in der Praxis werden diese Angebote meist nur von Jungen besucht. Mädchen verlieren hingegen mit zunehmendem Alter das Interesse – mit schwerwiegenden Folgen für das Mobilitätsverhalten.

Die Infrastruktur ist für Männer gemacht

Mädchen wird auch heute noch vielfach weniger zugetraut – auch beim Fahrrad fahren. Die unterschiedliche Behandlung der Geschlechter wird bereits bei Kinderrädern sichtbar: Während für Jungen das sportive Mountainbike im Vordergrund steht, sollen Mädchen auf Hollandrädern mit aufrechter Sitzposition fahren. Eher sportliche Touren, gerne auch gemeinsam, sind so natürlich kaum möglich. Deshalb müsste den Mädchen bereits früh vermittelt werden, dass auch sie sportiv Radfahren können, sodass die Lust am Fahrrad fahren geweckt wird.

Dass Frauen seltener Fahrrad fahren, hat auch mit der Infrastruktur zu tun. Denn die ist für Männer gemacht. So weiß Julia Wiegand von Frauen, die gerne mehr Fahrrad fahren würden, es aber als zu gefährlich einstufen. „Frauen sind besorgter; subjektive Sicherheit spielt eine stärkere Rolle“, sagt die Expertin. Die entscheidende Fragestellung laute: „Sind die Strukturen für Acht- bis 80-Jährige geeignet? Würde ich meine Kinder dort fahren lassen? Das muss man extrem oft verneinen.“

Gute Radwege schaffen Sicherheit

Für Frauen, aber auch für ältere Menschen, Kinder und Personen, die erst spät das Radfahren erlernt haben, brauche es eine intuitive, flächendeckende Radverkehrsführung - getrennt vom Kfz-Verkehr. Das gelte insbesondere auf kurzen Alltagswegen, etwa zur Kita oder in die Schule, zu Freizeitaktivitäten und zum Einkaufen. „Diese Wege müssen leicht und gerne mit dem Fahrrad zu schaffen sein“, betont Wiegand. Wie wichtig breite Radwege im Alltag sind, unterstreicht Juliane Schumacher. Die Buchautorin und Bloggerin ist oft mit dem Lastenrad unterwegs. Sie ist der Meinung: „Je breiter der Weg, desto besser.“ Einerseits, um sich selbst sicher zu fühlen, andererseits aber auch, um besser von schnelleren Radfahrenden überholt werden zu können. Sie fahre mittlerweile mit dem Lastenrad öfter wieder auf der Fahrbahn statt auf zu schmalen Radwegen, da sie so einen besseren Überblick über den Verkehr habe.

Um möglichst sicher und schnell unterwegs sein zu können, baut sie deshalb auch eigene Routen zusammen.„Wenn man seine Stadt gut kennt, kann man auch die Wege besser planen“, sagt sie. Regelmäßiges Radfahren sei deshalb enorm wichtig, um einen festen „Wegeschatz“ aufzubauen. Dieser fehle aber vielen Menschen am Anfang, was zu Unsicherheiten führe und dazu, dass Frauen seltener Fahrrad fahren. Juliane Schumacher spricht sich deshalb auch für zusammenhängende Wegenetze für alle Radfahrenden aus: „Radfahren ist nicht nur ein Sport, sondern auch ein Fortbewegungsmittel, das unabhängig vom Geschlecht funktioniert.“