Medizinalcannabis im Mittelpunkt

Medizinalcannabis wird zum Beispiel bei chronischen Schmerzen eingesetzt
Luis, Celina und Prof. Gottschling bei einer Veranstaltung zum Thema Cannabis. Foto: © Rüsing Fotografie/Be a Star Productions

Cannabis ist eine der ältesten Heilpflanzen der Welt mit vielfältigen therapeutischen Anwendungsmöglichkeiten. So kommt Medizinalcannabis bei chronischen Schmerzen, Migräne, Multipler Sklerose und vielen anderen Erkrankungen zum Einsatz. Doch noch immer wird Cannabis viel zu selten verordnet, beklagte etwa im April ein Circle of Experts aus Ärztinnen, Ärzten, Apothekerinnen und Apothekern. Der Grund: Die Cannabispflanze sei nach wie vor mit Vorurteilen belegt. Das Fazit des Circle of Experts: Das Wissen über das Potenzial der Heilpflanze ist noch nicht verbreitet genug. Aufklärung und Austausch tun not. Deshalb hat sich 2024 die Initiative „ENDLICH“ gegründet.

Die Initiative “ENDLICH” setzt sich für eine Enttabuisierung und sachliche Diskussion rund um Medizinalcannabis ein. Gemeinsam mit Persönlichkeiten aus Medizin, Sport und Kultur wie Sängerin Vanessa Mai und „Tatort“-Darsteller Wotan Wilke Möhring möchte man einen Dialog rund um die medizinischen Vorteile und Möglichkeiten einer Medizinalcannabis-Therapie anstoßen. Das Thema Medizinalcannabis soll aus der Schmuddelecke in die Mitte der Gesellschaft geholt werden.

Medizinalcannabis ist verordnungsfähig

Nachdem 2017 das Gesetz „Cannabis als Medizin“ in Kraft trat, kann Cannabis verordnet und mit den Gesetzlichen Krankenversicherungen abgerechnet werden. Seit der Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken in diesem Jahr ist die Verordnung auf Rezept noch einmal einfacher geworden. Medizinisches Cannabis fällt nun nicht mehr unter die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes.

Prof. Sven Gottschling vom Universitätsklinikum Saarland behandelt seit 24 Jahren Menschen mit Medizinalcannabis und möchte es als wirkeffektive und nebenwirkungsarme Behandlungsoption nicht mehr missen. Er wünscht sich, dass mehr Menschen Zugang zu dieser Behandlung bekommen: „Cannabis steuert Rezeptoren an, die kein Medikament sonst erreicht“, sagte er auf der Golden Leaf Gala, die am 31. Oktober in Köln stattfand. Medizinalcannabis ist oral niedrig dosierbar, und werde es verantwortungsvoll eingesetzt, „versaut es nicht die Zukunft, wie gemeinhin angenommen, sondern ermöglicht Zukunft überhaupt erst“.

Zwei seiner Patienten sind Celina und Luis. Die angehende Erzieherin Celina hat schon seit zehn Jahren Rheuma und wird seit acht Jahren mit Medizinalcannabis behandelt. „Es war am Anfang für mich und meine Eltern schon ein kleiner Schock, als ich mit Cannabis behandelt werden sollte. Es ist immer noch kein alltägliches Medikament. Vorurteile stehen im Raum, die einem begegnen könnten: Die ist ein Junkie, die raucht den ganzen Tag, mit der kann man nichts anfangen. Dank Medizinalcannabis kann ich meinen Alltag leben als wäre ich nicht krank. So habe ich zum Beispiel meinen Führerschein ganz normal gemacht.“

Cannabis kann Schmerzen nehmen

Der 16-jährige Luis leidet unter einer Fehlbildung der Strukturen am Darm, die nicht behandelt werden kann und mit Krämpfen und Schmerzen  einhergeht. Auch langes Sitzen fällt dem Gymnasiasten schwer, der aufgrund der Darmfehlbildung Pflegegrad 4 hat. Er sagt: „Cannabis nimmt mir von allen Medikamenten die Schmerzen am besten. So habe ich eine Teilhabe am Leben.“ Luis und Celina sind vergleichsweise junge Patienten. Das mediane Alter der mit Cannabisarzneimitteln behandelten Personen wird auf 57 Jahre geschätzt. Einig sind sich alle Expertinnen und Experten darin, dass es mehr Forschung braucht: einzelne Erfolgsberichte reichen nicht, Studien sollen die Wirksamkeit beweisen.